Letzten Donnerstag hat die Boom Software AG, österreichischer Kompetenzträger für Softwarelösungen aus dem Bahnbereich, eine Webinar-Reihe gestartet. Diesmal diskutierten die Speaker über Digitalisierung in der Schienenfahrzeuginstandhaltung und die unterschiedlichen Rollen von Eigentümer, Betreiber und Instandhalter. Über diese Themen habe ich unter anderem mit dem CEO von Boom Software, Andreas Schaller, und Helmut Hohenbichler, ehemaliger ÖBB-Manager und Senior Vice President Boom Rail Solutions, gesprochen.
Danke für Euren Besuch am Blog! Bevor Ihr weiterlest, erlaubt mir einen Aufruf in eigener Sache: Euch liegen Verkehr, Mobilität und vor allem die ZukunftBahn auch am Herzen und Ihr wollt mich und meinen Blog unterstützen?
Ich würde mich über Euer Feedback und Eure Meinungen in den Kommentaren sehr freuen. Wenn Euch mein Beitrag gefällt, dann teilt ihn doch in den sozialen Medien, empfehlt meinen Blog weiter, abonniert meinen Newsletter oder meinen Telegramchannel und folgt mir auf Facebook, LinkedIn und Twitter!
Welche Rolle nimmt die Digitalisierung im Bereich des Schienenverkehrs ein? Wo liegen die Potenziale?
Andreas Schaller: Die Digitalisierung nimmt in der Welt der Mobilität, und vor allem im Schienenverkehr eine enorm wichtige Rolle ein! Denn nur durch Digitalisierung kann der Verkehrsträger Schiene ernsthaft wettbewerbsfähig gegenüber anderen Mobilitäts-, Fracht,- und Infrastrukturanbietern werden.
Die Potenziale sind vielfältig, in der Schienenfahrzeuginstandhaltung kann man beispielsweise die Kosten massiv senken, aber vor allem die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit lässt sich durch digitale Überwachungs- und Analysesysteme steigern – das ist für den Fahrgast aber auch für den Kunden im Güterverkehr die wertvollste Kenngröße.
Was sind die Herausforderungen oder auch typischen Fehler bei der Umsetzung einer umfassenden Digitalisierung im europäischen Schienenverkehr?
Andreas Schaller: Eine zentrale Herausforderung im europäischen Schienenverkehr ist sicherlich die Bürokratie, die sich innerhalb und zwischen den Staaten, aufgebaut hat. Zum anderen die Umsetzung der Digitalisierung auf Unternehmensebene: Hier ist es wichtig einen Schritt nach dem anderen zu machen! Es braucht eine hohe Datenqualität und durchgängige Prozesse als Fundament, dann kann man die Systeme upgraden – Schlagworte wie Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning müssen hier den Ton angeben, um auf höchstem Niveau zu operieren.
Wichtig ist, dass die Prozesse und Geschäftsmodelle neu gedacht werden, hierzu sind erfahrene Partner notwendig. Digitalisierung heißt nicht das wir das, was wir immer schon gemacht haben unter dem Deckmantel der Digitalisierung verkaufen.
Nachfrage: Was sind Kriterien für eine erfolgreiche Digitalisierung?
Andreas Schaller: Man muss „Bahnhof“ verstehen, um Digitalisierung im Schienenverkehr erfolgreich betreiben zu können, d.h. Rail Know-how gepaart mit IT Know-how einerseits und andererseits, dass Zielprozesse durchgängig abzubilden mit einer hohen Datenqualität. Dann eröffnet die Digitalisierung enorme Potentiale. Wir verfolgen hier einen sehr partnerschaftlichen Weg mit all unseren Kunden.
Wie können durch digitale Lösungen sowohl Eigentümer, Betreiber und Instandhalter im täglichen Betrieb profitieren?
Andreas Schaller: Ich denke, dass es grundsätzlich allen bewusst ist von digitalen Lösungen profitieren zu können. Die Frage ist vielmehr: Wie geht das ganz konkret bzw. in welchem Umfang will man Digitalisierung bei sich zulassen?
Wenn man den gesamten Prozess – „getriggert“ von einem intelligenten Rail-Assetmanagement System – zusätzlich verknüpft mit Umlaufplanung, Abstellungsplanung, Instandhaltung und Herstellerinformationen, reduziert man die Lagerstände um mind. 20%. Automatisiert man den Ersatzteilprozess, erhöht das die Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Damit reduziere ich zudem die Kosten und ermögliche den Eigentümern, Betreibern, Instandhaltern, und Logistikverantwortlichen eine nachhaltige Verbesserung im „daily business“.
Helmut Hohenbichler: Digitale Lösungen entlasten den Eigentümer, Betreiber oder Instandhalter von administrativen Tätigkeiten. So hat der Nutzer die Möglichkeit sich auf das Geschäft, auf die operativen Tätigkeiten zu fokussieren und mehr noch, seine Arbeitsmethodik von einer passiv reaktiven, auf eine aktiv proaktive zu transformieren, was ihn mehr Zeit für Planung und Disposition ermöglicht und sich das operative Management auf Monitoring und Behandlung von Ausnahmesituationen beschränkt.
Im Bereich der Cargo Logistik ist nach wie vor die Legislative und jede Menge Lobbyismus gefragt, um dort ein Gleichgewicht zur Straße oder Schiffverkehr herstellen zu können.
Was können EVUs tun, um den öffentlichen Verkehr für nachfolgende Generationen attraktiver zu gestalten?
Andreas Schaller: Die Basics wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und ein breites Angebot sind die Basis für einen langfristigen Erfolg eines Verkehrsträgers. Wir müssen aber schon jetzt auch darüber hinausdenken. Vor allem die Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern im Sinne von Mobility as a Service ist meiner Meinung nach ein ganz wesentlicher Punkt für die Zukunft des ÖV.
Helmut Hohenbichler: Junge Generationen betrachten die Zeit, welche sie in öffentlichen Verkehrsmitteln verbringen, als Teil ihrer aktiven Lebenszeit. Daher wäre es eine Idee diese Zeiten zu „Quality Times“ zu machen. Daher ein umfassendes Informations- und Komfortangebot bereitzustellen. Wobei damit nicht nur die Verfügbarkeit von Internetbandbreiten gemeint ist, sondern Orte, wo man gerne verweilt. Bei Langstrecken oder Pendlerverkehren über 30 Minuten wird das Komfortangebot immer wichtiger, bei kürzeren Fahrten stehen doch die Pünktlichkeit, die Sicherheit, Sauberkeit und Bandbreiten im Vordergrund.
Warum hat die Boom Software AG RailVoice ins Leben gerufen und was waren die Gedanken dahinter?
Andreas Schaller: Wir haben Rail Voice ins Leben gerufen, weil wir eine praxisnahe Plattform für die digitale Transformation der Rail Branche bereitstellen wollen. Wir wollen damit einen Beitrag leisten, um die notwendige Veränderung der Rail Branche zu pushen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit in Punkto Zeit, Kosten und Zuverlässigkeit der Bahn zu erhöhen.
Wie war Ihr Resümee zum ersten Event und wird es weitere geben?
Andreas Schaller: Wir hatten eine ausgezeichnete Resonanz von den TeilnehmerInnen – das freut uns sehr und gibt noch einmal extra Motivation weiter zu machen. Dabei ist unser Blick bereits auf das kommende Event im September gerichtet.
Wir möchten über mehrere Veranstaltungen hinweg bereits adressierte Themen in einer Art kontinuierlichen Verbesserungsprozess immer wieder beleuchten um unsere TeilnehmerInnen an den Erfahrungen anderer teilhaben zu lassen. So können laufend Erfahrungen mit ECM bzw. ECM Projekten eingebracht werden, welche anderen wiederum als Hilfestellung im Digitalisierungsprozess dienen.