Die ÖBB werden heuer 100 Jahre alt. Zu diesem Anlass hat der Vorstand heute nicht nur Bilanz über das Jahr 2022 gezogen, sondern auch über die vergangenen 100 Jahre. 1923, genau am 1. Oktober 1923, nahmen die ÖBB ihren Betrieb mit knapp 113.000 Mitarbeiter:innen und 2.600 Dampflokomotiven auf, letztere verschlangen nicht nur 2,2 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr.
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Der damalige Anlaufverlust der ÖBB belief sich im Gründungsjahr 1923 auf 235 Milliarden Kronen. Umgerechnet und kaufkraftbereinigt würde das heute einem Minus von 134 Mio. Euro entsprechen. 2022 erwirtschafteten die ÖBB 193 Mio Euro Ergebnis vor Steuern.
Andreas Matthä, CEO der ÖBB, dazu: „Die damaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Unglaubliches geleistet, sie haben die ÖBB in der Geschichte gleich zwei Mal aus der programmierten Pleite manövriert. Einmal gleich nach der Gründung und ein zweites Mal nach dem 2. Weltkrieg und der Eingliederung in die Deutsche Reichsbahn. Dieses Kapital war wahrscheinlich eine der größten Transformationen der 2. Republik. Die ÖBB waren nicht nur ein Eisenbahnunternehmen, sondern auch ein volkwirtschaftlicher Stabilisator.“
Zum Hintergrund: Die ÖBB waren 1923 keine Neugründung, denn die Eisenbahn gab es in Österreich schon seit dem Jahr 1837. Nach dem Zerfall der Habsburger Monarchie waren die Bahnteile allerdings hoch verschuldet und strukturell völlig veraltet, sodass die damalige Regierung beschloss, diese als „eigenen Wirtschaftskörper“ einem professionellen Management zu übergeben.
„Die Evolution der Eisenbahn lässt sich in vielen Parametern abbilden, am deutlichsten zeigt sich aber die Leistung, wenn man die Produktivität vergleicht. Heute sind die ÖBB gemessen an der Anzahl der Mitarbeiter:innen fast dreimal kleiner, sie transportieren aber mehr als dreimal so viele Fahrgäste, wenn man den Postbus miteinbezieht. Bezogen auf die zurückgelegten Zugkilometer, hat sich die Produktivität in den vergangenen Jahren sogar verachtfacht“, erläutert Bahnchef Matthä
Ein Vergleich mit den Herausforderungen der Gegenwart drängt sich fast auf, wenn sie auch nicht so dramatisch wie vor 100 Jahren sind: Heute stehen die ÖBB vor einer ähnlichen Zeitenwende. Der Klimawandel und die Digitalisierung haben eine Transformation im gesamten Mobilitätssystem ausgelöst.
„Wenn wir in den nächsten Jahren den Weg von Bahnausbau, Digitalisierung und Dekarbonisierung konsequent weitergehen, kann uns ähnlich Großes gelingen wie unseren Vorfahren. Wir stehen erst am Anfang dieser Veränderung, in einigen Jahren werden die ÖBB nicht nur Eisenbahn sein, sondern ein Tür-zu-Tür-Mobilitäts- und Logistikanbieter, der vom E-Bike über Bus bis hin zur Eisenbahn Menschen und Güter durch ganz Europa transportiert“, sagt Andreas Matthä.
Bis 2030 soll sich die Leistungsfähigkeit des Schienennetzes in Österreich von heute 160 Mio. Zugkilometer um 25 % auf rund 200 Mio. Zugkilometer erhöhen. Dafür benötigt es neben dem Ausbau der Schieneninfrastruktur auch eine moderne digitale Steuerung des Zugbetriebes. In einer ähnlichen Größenordnung soll auch die Zug-Flotte der ÖBB ausgebaut werden.
„Die Bahn steht vor dem nächsten Evolutionsschritt und ich blicke trotz Krisen optimistisch in die Zukunft. Denn die Zukunft ist im wahrsten Sinne des Wortes auf Schiene“, sagt der ÖBB-Chef Andreas Matthä.
Am 1. Oktober 1923 nahmen die ÖBB ihren Betrieb auf. Das Erbe, das der damaligen Unternehmung zufiel, war ein schweres: Die ÖBB hatten bei ihrer Gründung einen Personalstand von 112.740 Mitarbeiter:innen, ihr Fuhrpark zählte 2.600 Dampflokomotiven, die 2,2 Millionen Tonnen Kohle im Jahr verschlangen. Nach der Eingliederung der BBÖ in die Deutsche Reichsbahn wurde ein beachtlicher Teil des Personals entlassen; altgedienten Nationalsozialisten wurden Tür und Tor geöffnet. Heute beschäftigen die ÖBB 42.603 Mitarbeiterinnen, dreimal weniger als bei ihrer Gründung, und das trotz Expansion und Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit.
Der Güterverkehr der ÖBB ist eine besondere Wachstumsstory. In den 100 Jahren hat sich die Transportleistung gemessen an Tonnen vervierfacht, gemessen an Netto-tkm sogar fast verachtfacht. Ausgangspunkt des rasanten Wachstums war die Liberalisierung in der EU. Sie gab Anlass zur Expansionspolitik ab 2006, der Kauf der ungarischer MAV Cargo 2008 und Markteintritte in zahlreichen osteuropäischen Märkten. 2022 folgten Serbien und China. Heute ist die ÖBB Rail Cargo Group gemessen an der Transportleistung Nr. 2 in Europa und in insgesamt in 18 Ländern präsent.
Die ÖBB sind wahrscheinlich eine der größten Transformationen in der 2. Republik durchlaufen. Heute sind sie gemessen an der Anzahl der Mitarbeiter:innen fast dreimal kleiner, sie transportieren aber mehr als doppelt so viele Fahrgäste. Ein richtiger Reiseboom setzte in Österreich ab Mitte der 1920er Jahre ein. Die wirtschaftliche Lage des Landes hatte sich beruhigt, sodass sich sogar Arbeiterfamilien aus Wien leisten konnten, am Wochenende mit der Bahn aufs Land zu fahren. Im Sommer war das Donau-Strandbad Kritzendorf ein beliebtes Ausflugsziel, im Winter fuhren die Städter:innen samt Skiern zum Wintersport nach Kaltenleutgeben im Südwesten Wiens, und in den Monaten dazwischen war das Wandern auf den Hausbergen Wiens – Semmering, Rax & Co – angesagt. Mit dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise als Folge des Börsencrash am sog. „Schwarzen Freitag“ in den USA kam diese Entwicklung – vorerst – zu einem jähen Ende. Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich der Bahnverkehr im kleinen Österreich stetig nach oben – bis heute. 2019 gab es einen Fahrgastrekord, 2022 einen neues All-time-high im Fernverkehr. 2023 prognostzieren die ÖBB ein „Jahrhundertjahr“ und mehr Fahrgäste dennje.
Die Produktivität hat sich bei den ÖBB innerhalb der letzten 100 Jahre verachtfacht.
Nach dem Zerfall der Monarchie wollte Österreich vor allem eines: vom Kohleimport aus dem Ausland unabhängig werden. So entstand 1920 das so genannte „Elektrifizierungsprogramm“ für die Eisenbahnstrecken. Als die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) 1923 gegründet wurden, wurden gerade mal 25 Kilometer im Inntal und 65 Kilometer der 1912 erbauten Mittelwaldbahn, die Innsbruck mit Garmisch-Partenkirchen in Bayern verband, elektrisch betrieben. Durch eine mehrstufige Elektrifzierungsstrategie soll der Elektrifizierungsgrad bis 2030 auf 85% und bis 2035 auf 89% angehoben werden.
Hinweise zu den Grafiken:
Langfristige Zeitreihen zu erstellen ist mit großen Schwierigkeiten verbunden – Zeitreihenbrüche aus unterschiedlichen Gründen (durch Definitionsänderungen oder Unternehmenszu- bzw. -verkäufen, Streckeneingliederungen, -einstellungen oder -ausgliederungen) und eine diverse, teils widersprüchliche, teils lückenhafte Quellenlage erschweren die Erstellung von kongruenten, validen Zeitreihen. Die Verläufe sind daher als Gesamtbild zu interpretieren. Die Darstellung sollte nicht als Quelle einzelner Werte herangezogen werden.
Zur Grafik Produktivität: Die Darstellung der Produktivität soll einen Gesamtblick auf die Entwicklung der Leistung der ÖBB-Mitarbeiter:innen in den letzten 100 Jahren geben. Sie zeigt wieviele Zugkilometer im ÖBB-Netz jährlich je ÖBB-Mitarbeiter:in abgewickelt wurden. Zahlreiche Ungenauigkeiten bleiben in der Graphik unberücksichtigt – die Zugkilometer spiegeln die Betriebsleistung aller Bahnen im ÖBB-Netz wider, die Mitarbeiter:innen umfassen auch den Postbus sowie Tochtergesellschaften im Ausland. Eine Darstellung, die all diese Aspekte berücksichtigt ist aufgrund der Datenlage nicht möglich.