Der ÖBB Postbus bringt jährlich mit seinen über 2.400 Bussen ca. 124 Mio. Fahrgäste an ihr Ziel. So gilt der Postbus seit über 100 Jahren als Rückgrat der Mobilität in Österreichs Regionen. Wir haben mit ÖBB Postbus Vorständin Silvia Kaupa-Götzl über Digitalisierung und Ökologisierung im Busverkehr gesprochen und über neue Konzepte für noch mehr Mobilität im ländlichen Raum.
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Wie in der Einleitung erwähnt wird, hat der Postbus jährlich 124 Millionen Fahrgäste, im Vergleich dazu transportiert die ÖBB im Schienenfernverkehr mit 20 Millionen Fahrgästen deutlich weniger Menschen. Welche Rollen bzw. Funktionen nimmt der ÖBB Postbus im österreichischen ÖV-System ein?
Der Bus ist ein absolut unersetzbarer Bestandteil des Öffentlichen Verkehrs in Österreich, und in so gut wie jeder österreichischen Gemeinde zu finden. In einem Drittel aller österreichischen Gemeinden ist der Bus sogar das einzige öffentliche Verkehrsangebot. Jährlich befördern Busse in Österreich rund 660 Mio. Menschen (Anm: 2019, vor Covid). Wenn es keinen Bus gäbe, würden also sehr viel mehr Menschen nur mit dem PKW fahren. Der Bus ist damit also auch unabdingbar, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen. Er erfüllt zwei wesentliche Funktionen: Zum einen die Flächenversorgung, und zum anderen die Anbindung zum System Bahn. Die Bahn ist das Rückgrat des Öffentlichen Verkehrs in Österreich. Die Busse sind dessen Lebensadern.
Der Öffentliche Verkehr ist prinzipiell deutlich umweltfreundlicher als Auto oder Flugzeug. Doch wie umweltfreundlich ist der eigentlich der Bus?
Ich bin sehr dankbar für diese Frage, weil der Bus in der öffentlichen Diskussion meistens entweder gänzlich übersehen oder falsch dargestellt wird. Unbestritten ist mittlerweile, wie wichtig die Schiene für die Verkehrswende ist. Allerdings werden die meisten Wege vor allem im ländlichen Raum tagtäglich nach wie vor mit dem PKW zurückgelegt. Diese Wege könnten dort, wo es keine Schiene gibt, durch den Bus substituiert werden. Dafür muss aber das Busangebot massiv ausgebaut werden, heute gibt es noch zu viele Taktlücken.
Aber zur konkreten Frage: Auch wenn der Bus mit Diesel (und damit nicht emissionsfrei fährt), ist er dennoch umweltfreundlich: Zum Einen benötigt man für einen Bus bereits ab einem durchschnittlichen Besetzungsgrad von 5 Personen weniger Energie (Treibstoff) als mit einem PKW, bei dem der durchschnittliche Besetzungsgrad bei 1,1 Personen liegt. Zum Anderen ist der CO2 Ausstoß je Personenkilometer bei einem Dieselbus 3 Mal niedriger als bei einem PKW. Würde man die Busse auf alternative Antriebsformen umstellen, würde der Vergleich natürlich noch viel deutlicher ausfallen. Es gilt jedenfalls: jede:r Umsteiger:in vom PKW auf den Bus hilft mit, unser Klima zu schützen.
Damit es gelingt, mehr Menschen zum Umsteigen zu bewegen, muss der Busverkehr im ländlichen Raum in den nächsten Jahren deutlich ausgebaut werden. In vielen Bundesländern fehlt es an einem dichten, tagesdurchgängigen Taktverkehr. Umsteigen werden viele Menschen erst dann, wenn sie sich darauf verlassen können, nicht nur von A nach B, sondern auch wieder von B nach A zu kommen, und zwar ohne lange Wartezeiten. Oft höre ich das Argument, dass so viele leere Busse durch die Gegend fahren. Das lässt sich ändern durch eine verbesserte Gestaltung des Fahrplanangebotes. Dieselbe Diskussion haben wir vor der Einführung des integrierten Taktfahrplanes auf der Schiene geführt. Und es hat sich dort gezeigt: Bei einem durchgängigen, verbesserten Angebot steigt die Anzahl der Fahrgäste entsprechend stark an. Das Henne-Ei-Problem ist also keines: Lässt man das Angebot gleich oder reduziert man es (wegen der „leeren Busse“, die oft Leerfahrten sind), so verliert man Fahrgäste. Investiert man dagegen an in das Angebot, dann kommen auch die Fahrgäste.
Nachfrage: Wie kann man den Busverkehr nun noch umweltfreundlicher machen? Und welche Strategien verfolgt hier der Postbus?
Wir haben da jedenfalls in Österreich noch einen sehr großen Nachholbedarf: Was den Einsatz von Bussen mit alternativen Antrieben betrifft, unter den Schlusslichtern der EU. Die gute Nachricht ist aber, dass es dazu bereits einige sehr konkrete und weit fortgeschrittene Projekte gibt und dass ich zuversichtlich bin, dass wir und auch andere Busunternehmen noch dieses Jahr weitere Elektro- bzw. Wasserstoffbusse auf die Straße bringen werden. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung in die richtige Richtung ist die EBIN-Förderung, mit der das BMK nun die dringend benötigte Finanzierung ermöglicht.
In Industrie und Gesellschaft wird stets über Digitalisierung gesprochen: Wie sieht´s hier beim Postbus aus? Gibt es Digitalisierung im Betrieb bzw. in den Fahrzeugen?
Die Digitalisierung ist in der Busbranche genauso wie in anderen Branchen eines der ganz großen Zukunftsthemen und beschäftigt uns sehr. Bereits vor drei Jahren haben wir den Beschluss gefasst, die wesentlichen Prozesse unseres Fahrbetriebes zu digitalisieren und das sogenannte „Lenkercockpit“ konzipiert. Damit stellten wir unserer IT-Landschaft komplett neu auf: Weg von viel Hardware im Bus mit jeweils eigener Software hin zu einer standardisierten Hardware – ein Tablet für unsere Lenker:innen verbunden mit einem sogenannten „Busknoten“, der im Bus verbaut ist. Über dieses Lenkercockpit läuft künftig (in Abstimmung mit den Verkehrsverbünden) der gesamte Fahrbetrieb: der Fahrtenschreiber, die Fahrgastinformationssysteme inkl. Zielschildanzeige, sowie der Ticketverkauf und die Verkaufsabrechnung. Auch der Dienstantritt und die Dienstpläne werden künftig digital abgewickelt, und es gibt hier noch viele weitere Potenziale.
Der Postbus ist seit einigen Jahren auch mit dem Postbus-Shuttle auf dem Markt. Können Sie uns das System kurz erklären und sagen wer die Zielgruppe ist?
Heute ist es für uns selbstverständlich, Filme und Musik On Demand zu bestellen und das Abendessen über eine App am Handy. Genauso schnell, unkompliziert und individuell wollen auch unsere Fahrgäste unterwegs sein – und nicht mehr nur dann den Bus nehmen, wenn der Fahrplan das vorsieht.
Daher haben wir das Postbus-Shuttle als neues Angebot speziell für den ländlichen und suburbanen Raum entwickelt. Das Postbus-Shuttle wird mit kleineren Bussen (in der Regel 9 Sitzer) und ganz ohne Fahrplan gefahren, also on demand: das Shuttle kommt dann, wenn der Fahrgast Bedarf hat. Gebucht wird das Postbus Shuttle vom Fahrgast selbst über eine App. In dieser App steckt eine intelligenter Software mit einem – und das ist der wesentliche Unterschied zu einem Taxi – Bündelungsalgorithmus. Ziel ist, dass sich Fahrgäste immer ein Stück des Weges teilen, und dass der Besetzungsgrad deutlich über dem eines PKW liegt. Dies alles macht das Postbus Shuttle zu einem nachhaltigen, flexiblen, modernen Verkehrsangebot, damit die Menschen am Land ihr Auto öfter zu Hause stehen lassen – oder noch besser gleich verkaufen.
Mit dem Postbus Shuttle ergänzen wir das bestehende öffentliche Angebot, wir schaffen ein öffentliches Angebot, wo es keines gibt, und wir decken die erste/letzte Meile ab.
Wie hat sich das Postbus-Shuttle in seinen ersten Jahren entwickelt? Kann man eine erste Bilanz ziehen, wo liegen noch Potenziale und Herausforderungen?
2021 haben wir die stolze Anzahl von insgesamt 7 Projekten in Betrieb genommen, 2 davon waren Sommerprojekte, 5 laufen nach wie vor. Seit dem Startschuss für unser allererstes Postbus-Shuttle im Zukunftsraum Donauraum Gusen im April 2021 wurde unsere App bereits über 4.500 downgeloadet – und das trotz Lockdown und generell etwas verminderter Mobilität aufgrund von Covid-19.
Unser jüngstes Projekt, die Mobilregion Mödling mit 115.000 Einwohner:innen, läuft seit 1. Dezember. Hier zeigt die Buchungslage bereits in den ersten beiden Betriebswochen, wie gut das On-Demand-Angebot von der Bevölkerung angenommen wird: 250 Fahrten mit etwa 330 Fahrgästen, durchschnittlich teilen sich 1,4 Personen eine Fahrt, rund 65 % der Fahrten finden von und zu öffentlichen Verkehrsknotenpunkten, also zu Bus und Bahn, statt. Das macht deutlich, wie nachgefragt bedarfsorientierte Mobilität in ländlichen sowie suburbanen Räumen ist.
Vielen Regionen ist es wichtig, den Umstieg vom Individualverkehr auf den Öffentlichen Verkehr zu fördern, sie folgen einem immer stärker werdenden Trend: Auch ohne eigenes Auto bequem und flexibel zum Arzt, Fußballtraining oder ins Lieblingslokal zu kommen. Deshalb unterstützen wir auch Gemeinden in ihrer Entwicklung und Konzeption auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte Verkehrskonzepte. Ich denke hier müssen wir wieder mehr ins Gespräch kommen: Was wünschen sich die Gemeinden? Welche Mobilitätsbedürfnisse haben die Menschen, die dort leben? Wir müssen hier weg von einem Angebot, das sich nach Einwohnerzahlen richtet, hin zu einem Angebot, dass die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt. Und ich wünsche mir, dass die Verkehrsunternehmen ihre Kompetenzen wieder mehr in die Angebotsplanung einbringen dürfen. Der Postbus kennt den ländlichen Raum und den örtlichen Verkehr wie kein anderes Unternehmen in Österreich.
Passend zur Jahreszeit: Sie haben angesprochen der Postbus ist vor allem in den Regionen und im ländlichen Raum ein wichtiger Mobilitätspartner. Wie sieht das in Wintersportregionen aus – gibt es hier spezielle Angebote bzw. Herausforderungen im Betrieb?
Postbus ist mit seinen Skibussen bereits seit Jahrzehnten ein bekannter, beliebter und perfekt bewährter Partner für viele Skigebiete und Tourismusregionen in ganz Österreich – eine nicht mehr wegzudenkende Mobilitätseinrichtung für jegliche Sport- und Freizeitaktivität in Österreichs Bergen. Heuer setzen wir gemeinsam mit den Gletscherbahnen Kaprun sogar erstmalig einen Elektrobus als Skibus ein – es ist der erste überhaupt österreichweit.
Besonders in einem Tourismusland wie Tirol ist der Skibusverkehr jedes Jahr eine große Herausforderung für uns. Alleine in Tirol wird unser Linienbusangebot in der Wintersaison mit zusätzlichen 80 Bussen verdichtet. Eine Riesenherausforderung ist nicht nur das Fahren auf schneeglatter Fahrbahn mit teils starkem Gefälle, auf bis zu 3.000 Meter Seehöhe hinauf, oftmals über enge Kurvenstraßen. Immer schwieriger wird es vor allem, ausreichend Lenkpersonal zu finden. Wir haben zwar einige Stammlenker:innen, die uns schon seit vielen Wintersaisonen die Treue halten. Zusätzlich suchen wir aber jedes Jahr weitere Buslenker:innen für unsere Schibusse. Generell ist schon spürbar, dass es immer schwieriger wird, Personal zu finden, und das finde ich schade, denn Buslenker:in ist ein toller, sinnvoller, wichtiger Beruf. Aber allen Herausforderungen zum Trotz ist uns dieses Jahr erneut der Saisonstart sehr gut gelungen, und wir freuen uns auf einen tollen Winter mit vielen Fahrgästen!