Die Erfolgsgeschichte, die die Wettbewerbsbahnen im Güter- und Personenverkehr hingelegt haben, kann und sollte im Lichte der seit Jahren schlechten Bilanzen der DB für die Politik ein Anreiz sein, sich die Gründe genau anzuschauen. Wieso läuft es beim Staatskonzern so viel schlechter, obwohl sich alle das gleiche Netz teilen? Woher kommt das noch immer unerschütterliche Vertrauen der Politik in die DB? Im aktuellen und mittlerweile 8. Wettbewerber-Report Eisenbahnen beantworten die Verbände mofair und DIE GÜTERBAHNEN diese und weitere Fragen.
Die privaten Wettbewerber im Schienengüterverkehr konnten in den letzten zwei Jahren ihren Marktanteil im Vergleich zur DB Cargo weiter auf nunmehr 59 Prozent im Jahr 2022 ausbauen. Der Wert des Wettbewerbs im Schienenpersonennahverkehr bemisst sich vor allem an der massiven Ausweitung des Angebots. Der Marktanteil der Wettbewerbsbahnen liegt im SPNV bei nunmehr deutlich über 40 Prozent. Das alles trotz widriger Bedingungen durch multiple Krisen, aus der maroden Infrastruktur und steigender Personal-, Material- und Energiekosten.
„Der Erfolg der privaten Güterbahnen hat den Güterverkehr auf der Schiene vor der Bedeutungslosigkeit gerettet. Nun werden die Wettbewerber auch das Marktanteils-Ziel von 25 Prozent bis 2030 retten müssen, wenn die DB Cargo die weißen Fahnen auspackt“, kommentiert Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender der GÜTERBAHNEN. Er bezieht sich auf Medienberichte, wonach Cargo-Chefin Dr. Sigrid Nikutta die Unternehmens-Wachstumsziele einkassiert hat. „Qualität und Produktivität sind Erfolgsfaktoren, die bei DB Cargo im Kontrast zu den privaten Güterbahnen zu schwach ausgeprägt sind. Der Bund sollte sich überlegen, ob er den Einzelwagenverkehr vom restlichen Geschäft abtrennt, um die lahme DB-Ausrede „Alles liegt am EWV“ zu entlarven.“
„Der Wettbewerb im SPNV hat sich absolut bewährt. In den Qualitätsrankings liegen die Wettbewerbsbahnen weiter deutlich vor der DB Regio, vor allem dann, wenn diese in alten, direkt vergebenen Verkehrsverträgen fahren. Aber das Vergabemodell muss nachjustiert werden: Sachgerechte Zuordnung von Risiken, in den Vergabeverfahren mehr Gewicht auf Qualität und Innovationsfreude, weg von der Reduktion der Verkehrsunternehmen auf reine Lohnkutscher.“
Martin Becker-Rethmann, Präsident von mofair
Dennoch beobachten die Verbände mit Verwunderung, dass zur Halbzeit der Legislaturperiode eine Bundesregierung, die zu zwei Dritteln aus Parteien besteht, die eine entschiedene Bahnreform vorantreiben wollten, einen bisher so unambitionierten Vorschlag zur Gründung der gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft vorgelegt hat. Sie fordern, die DB InfraGO AG unabhängiger von der Konzernleitung zu machen, die Gemeinwohlorientierung gesetzlich zu verankern und vom Bund, seinen Konzern an eine kürzere Leine zu nehmen, damit dieser im Sinne der Kundschaft handelt. „Die „kleine Bahnreform“ steht in dieser Woche auf der Kippe. Wir fordern die Länder auf, am Freitag im Bundesrat den Vermittlungsausschuss zum Bundesschienenwegeausbaugesetz anzurufen. Scheinbar muss die Bundesregierung gezwungen werde, konkrete Verbesserungen bei der Steuerung der DB zuzusagen und politische Maßnahmen nicht dem Gusto des DB-Komplexes zu überlassen“, erklären die Verbandschefs.
Die WBR-Broschüre, die beide Verbände in Kooperation herausgeben, spart nicht mit Kritik am integrierten Staatskonzern. „Die Deutsche Bahn muss sich fragen lassen, welchen Anteil sie trägt, wenn ein ganzer Verkehrsträger eine eigene Rubrik in Witzebüchern füllen kann“, so Kerkeling. Mit dem zusätzlichen Geld, das die Regierung zur Verfügung stellt (versprochen sind 45 Milliarden Euro bis 2027), erwächst die Erwartung, dass die DB Sanierung und vor allem den Ausbau des Netzes beschleunigt angeht.
„Die strukturellen Probleme lassen sich allerdings nur durch quantifizierbare Zielvorgaben und zusätzliche Kontrolle durch den Bund lösen. Es reicht nicht, zum x-ten Mal darauf zu hoffen, dass die DB allein durch mehr Geld auf den rechten Pfad kommt.“
Martin Becker-Rethmann, Präsident von mofair
Im Report sind daher mehrere Kapitel der Situation der Infrastruktur, dem Aufbau des DB-Konzerns und den Erwartungen an die neue gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft „InfraGO“ und ihre Kontrolle gewidmet.
Lob gibt es von den Verbänden für die Regierung dafür, dass sie das dunkelrote Alarmsignal der Unterfinanzierung des Schienennetzes nicht mehr ignoriert. „Die Ampel schafft damit eine Wende. Jetzt gilt es aber, das Geld sinnvoll auszugeben: Nicht nur Sanierungen sind wichtig, sondern vor allem der Neu- und Ausbau wird entscheidend für die Zukunft der Schiene sein“, so Becker-Rethmann. Lob gibt es von den Verbänden ebenfalls dafür, dass die Regierung die energieintensive Schiene bei der Strompreisbremse berücksichtigt hat.
Kerkeling ergänzt ein weiteres Lob: „Die Lkw-Maut-Novelle, die ab Dezember 2023 greifen soll, bietet ein hervorragendes Beispiel für gestärkten Wettbewerb: Sie forciert Kostenwahrheit zwischen den Verkehrsträgern Schiene und Straße, baut klimaschädliche Subventionen ab und sorgt mit der Auflösung des Finanzierungskreislaufs Straße gleichzeitig dafür, die Wettbewerbsfähigkeit der bislang vernachlässigten Schiene zu stärken.“
Becker-Rethmann weist aber zugleich auf bisher uneingelöste Versprechen hin: „Im Schienenpersonenfernverkehr kommt der Wettbewerb nur schleppend voran: Die europaweit höchsten Trassenpreise sind eine gewaltige Markteintrittshürde. Der unklare Weg zum Deutschlandtakt lässt potenzielle Geldgeber zögern, in neue Flotten zu investieren. Und beim Fahrausweisvertrieb behindert der ehemalige Monopolist Deutsche Bahn weitere Fortschritte für die Fahrgäste. All das sind Themen, die die Ampel eigentlich angehen wollte, die das Bundesverkehrsministerium aber offensichtlich in dieser Legislaturperiode nicht mehr angehen will.“
Im Schienengüterverkehr mahnt Kerkeling die klare Orientierung auf Verkehrsverlagerung an. Die Bereitschaft der Bundesregierung, neues Geld für den Einzelwagenverkehr zur Verfügung stellen zu wollen, sieht er zwar positiv, aber die Ausgestaltung der Förderung ist nach dem derzeitigen Stand nicht dazu geeignet, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Und das Ziel, die marode DB Cargo mit Geld zu versorgen, wird ebenfalls verfehlt werden. „Die gesamte Branche hat zur Ausgestaltung der Förderung einen Vorschlag gemacht, aber das Ministerium hört leider nur auf die DB. Es braucht langfristige Lösungen, die wettbewerbsneutral und wachstumsorientiert sind.“