„ECM-Verordnung 2019/779 als Möglichkeit zur Selbstreflexion“

Mai 15, 2023 | Bahnindustrie, Innovation

Knapp ein Jahr nach der Übergangsfrist zur neuen ECM Verordnung bestehen für die ECM Verantwortlichen nach wie vor oftmals Unklarheiten und es ergeben sich Interpretationsspielräume. Die Boom Software AG wird bei der kommenden Ausgabe der RailVoice Webinar-Reihe mit Expert:innen aus dem ECM Umfeld zu diesem Thema diskutieren. Mit einem der Expert:innen konnten wir bereits vorab sprechen. Marius Trinkl, TÜV Rheinland InterTraffic GmbH, hat mit uns über die Chancen sowie Herausforderungen gesprochen und erklärt warum diese Verordnung so wichtig ist.

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Können Sie kurz erklären, was die Hauptziele der ECM-Verordnung 2019/779 sind, und welche Effekte hat die Verordnung auf die Unternehmen im Bahnbereich?

Die ECM-Verordnung 2019/779 ist prinzipiell sehr ähnlich zur Vorgänger-Verordnung 445/2012, diese galt aber lediglich für den Güterverkehr bzw. für Güterwägen. Mit ECM-779 wurde die Verordnung auf den gesamten Bahnsektor ausgeweitet, mit wenigen Ausnahmen wie beispielsweise bestimmte Baufahrzeugen und historischen Fahrzeuge.
Das Hauptziel ist Transparenz zu schaffen und die Verantwortlichkeiten festzulegen, da sich im System Bahn eine Gemengelage an Akteuren bildet bzw. gebildet hat (Fahrzeug-Halter, Eigentümer, Instandhalter, die Spedition die Wagen anmietet etc.) Die ECM 445 bzw. nun ECM 779 hat das Ziel, die Verantwortung für die Instandhaltung der Fahrzeuge auf 4 definierten ECM-Funktionen zu verteilen.

Die Organisationen müssen entsprechend die Anforderungen aus der ECM-Verordnung erfüllen. Das kann – muss aber nicht – zu Umstrukturierungen führen.

Welche Auswirkungen hat die ECM-Verordnung auf die Sicherheit im Bahnbereich? Sind neue Sicherheitsstandards oder Verfahren vorgeschrieben, um sicherzustellen, dass Fahrzeuge den geltenden Normen entsprechen?

Das System Bahn soll sicherer werden! Durch die SMS-Verordnung (2018/762) für den Betrieb von Fahrzeugen und Infrastruktur und durch die ECM-Verordnung bezüglich Fahrzeuginstandhaltung soll ein hohes sowie einheitliches Sicherheitsniveau (Richtlinie 2016/798 über Eisenbahnsicherheit) sichergestellt werden.
ECM 779 schreibt aber keine Verfahren vor, sondern legt die Verantwortlichkeiten fest und beschreibt einen Zielzustand.

Wie betrifft die ECM-Verordnung die Instandhaltung von Schienenfahrzeugen im Detail? Gibt es spezifische Anforderungen oder Änderungen, die Unternehmen bei der Durchführung von Wartungsarbeiten beachten müssen?

Die Verordnung beschreibt im Wesentlichen keine Details oder technische Inhalte, es wird ein Zielzustand beschrieben. Dementsprechend liegt eine große Verantwortung bei den jeweiligen ECM-Funktionen, z.B. ECM 2 (Instandhaltungserbringungsfunktion  – in manchen Organisationen auch als „Technisches Büro“, Bauartverantwortlicher etc. bezeichnet): Der Hersteller einer Lokomotive liefert ein Instandhaltungsbuch für eine gewisse Intensität der Nutzung des Fahrzeuges. Wenn sich im eigenen Betrieb diese Intensität (z.B. Kilometerleistung) ändert, muss auch die Instandhaltung entsprechend mit einer Risikoanalyse bewertet werden. Als Ergebnis kann herauskommen, dass die Instandhaltung angepasst werden muss – oder eben auch nicht!

Gleichzeitig erhöht sich definitiv der Dokumentationsaufwand, da alle Entscheidungen nachvollziehbar und begründbar sein müssen.
Aber diese gewonnene Transparenz wirkt sowohl nach innen, im eigenen Unternehmen ECM- und Abteilungsübergreifend, als auch nach außen, denn auch ein externer Dritter (Zertifizierer, Behörde, Subunternehmer) muss Entscheidungen nachvollziehen können.

Welche Maßnahmen müssen Unternehmen ergreifen, um sicherzustellen, dass sie die Anforderungen der ECM-Verordnung erfüllen?

In der Verordnung sind keine Maßnahmen beschrieben, lediglich der Zielzustand ist geregelt. Die Verantwortung liegt voll bei der Organisation.
Auch hier ein konkretes Beispiel: Es wird vorgeschrieben nur kalibrierte Prüf- und Messmittel zu verwenden. Ob das mittels Excel-Liste oder Asset-Management Tool sichergestellt wird, obliegt der Organisation, „nur“ das Ergebnis muss erreicht werden.

Wie wirkt sich die ECM-Verordnung auf den Wettbewerb und die Innovation in der Bahnbranche aus? Gibt es mögliche positive oder negative Auswirkungen, die Unternehmen berücksichtigen sollten?

Die ECM-Verordnung ist primär nicht auf Wettbewerb ausgelegt und auch der Faktor Geld ist der Verordnung selbst „egal“. Ob ich die Anforderungen mit einem SAP-System oder einer Bahnsoftware umsetze, ist für die ECM 779 kein Kriterium.

Aber natürlich müssen sich die Unternehmen die Frage stellen, wie sie die Organisation aufstellen und welche Tools zur Erreichung der Ziele eingesetzt werden. Unter diesem Aspekt hat die Verordnung auch einen gewissen Einfluss auf den Wettbewerb. Je effizienter der eigene Apparat aufgestellt ist, desto mehr Vorsprung hat man eventuell zu Mitbewerbern.

Gleichzeitig wird der Marktzugang zu einem gewissen Maß reglementiert, da jedes Unternehmen bzw. Fahrzeug, das in der EU unterwegs ist, diese Auflagen erfüllen muss.

Für mich bringt diese Verordnung die Möglichkeit der Selbstreflexion für die Organisationen mit. Man muss sich damit auseinandersetzen, wie die Abläufe funktionieren und wo die Zuständigkeiten liegen. Das ist die beste Basis, um die Effizienz und auch die Sicherheit zu steigern und blinde Flecken aufzuzeigen.

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