Der angekündigte Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) trifft die deutsche Wirtschaft zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Inmitten einer bereits schweren Rezessionsphase gerät die Stabilität des Schienengüterverkehrs ins Wanken, was nicht nur Auswirkungen auf die Versorgungs- und Lieferketten, sondern auch auf die Energieversorgung während der Heizperiode hat.
Gefahr für die deutsche Wirtschaft
Die GDL-Maßnahmen haben insbesondere auf DB Cargo, der größten europäischen Güterbahn, unmittelbare Auswirkungen. Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern ist DB Cargo eine Netzwerkbahn, die komplexe Transportdienstleistungen anbietet und eng mit Industriebetrieben, Fabriken, Stahl-Hochöfen und Kraftwerken zusammenarbeitet. Ein mehrtägiger Streik gefährdet die Versorgung von Großkraftwerken mit Steinkohle während der Heizperiode und tangiert die Mineralölversorgung für Raffinerien und Tanklager.
„Wir haben der GDL die Hand gereicht, sie antwortet mit einem sechstägigen Streik. Obwohl wir große Zugeständnisse gemacht haben, ist die Lokführergewerkschaft noch nicht einmal bereit, zu verhandeln. Dabei liegt jetzt alles auf dem Tisch: ein überdurchschnittlicher Gehaltsabschluss und eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Gehalt. Das Gebot der Stunde ist es, Verantwortung zu übernehmen und endlich wieder zu verhandeln. Gerade in diesen Zeiten ist eine starke Sozialpartnerschaft wichtiger denn je. Dazu gehören zwingend Kompromisse. Wir sind zu jeder Zeit und an jedem Ort verhandlungsbereit.“
DB-Personalvorstand Martin Seiler
Herausforderungen für die Industrie
Die Störung der Schienentransporte birgt erhebliche Risiken für die Stahl- und Chemieindustrie. Chemie-Gefahrguttransporte, Rohstofflieferungen für die Stahlindustrie und Exporte der Automobilwirtschaft sind betroffen. Ein Streik könnte zu einem Komplettausfall von Hochöfen führen und nachhaltige Störungen in den Lieferketten der Automobilindustrie verursachen. Selbst die Paketbranche kämpft mit Verzögerungen, da tausende Lieferungen nicht fristgerecht ihre Empfangsorte erreichen.
Risiko für Europa
Deutschland fungiert als zentrale Drehscheibe für den europäischen Güterverkehr, und ein GDL-Streik hat weitreichende Auswirkungen auf europäischer Ebene.
Sechs von zehn europäischen Güterverkehrskorridoren führen durch Deutschland. Selbst nach Streikende wird es mehrere Tage bis Wochen dauern, bis das europäische Schienennetz wieder reibungslos funktioniert. Die DB will alles daran setzen, die Auswirkungen auf Kunden in Industrie und Wirtschaft zu minimieren, insbesondere bei versorgungsrelevanten Zügen.
Deepdive in Schlüsselbranchen
Stahlbranche
Ein Stillstand der Schienentransporte gefährdet die permanente Versorgung von Stahlwerken mit Rohstoffen. Hochöfen könnten heruntergefahren werden, was zu langfristigen Versorgungsengpässen führt, da Hochöfen nicht kurzfristig wieder in Betrieb genommen werden können.
Automobilindustrie
Als integrierter Bestandteil der Automobillogistik liefert DB Cargo „Just in Time“ ins Werk. Ein Streik führt zu einem Rückstau in den Werken, beeinträchtigt Lieferketten und kann in Produktionsstraßen zu einem Stillstand führen.
Chemieindustrie
Produktionsausfälle in der Chemieindustrie können zu erheblichen Störungen führen, insbesondere wenn es zu einem Totalausfall der Rohstofflieferungen kommt. Chemiecluster benötigen eine kontinuierliche Versorgung, um Produktionsstillstände zu vermeiden.
Mineralöl und Seehäfen
Raffinerien und Seehäfen sind auf Schienentransporte angewiesen. Ein längerer Streik könnte zu Kraftstoffversorgungsengpässen an Tankstellen und Flughäfen führen, während Seehäfen mit einem Rückstau und Verkehrsstörungen konfrontiert sein könnten.
Kohle und Paketzustellung
Die Versorgung von Kraftwerken mit Steinkohle wird mittelfristig beeinträchtigt, und Paketzüge können nicht rechtzeitig ihre Empfänger erreichen, was zu erheblichen Störungen in der Paketzustellbranche führt.
Insgesamt steht Deutschland vor enormen Herausforderungen, um die Auswirkungen des GDL-Streiks auf die Wirtschaft und die Versorgungsketten zu bewältigen.