Damit Reisende und Güter pünktlich und sicher auf der klimafreundlichen Schiene unterwegs sein können, benötigen Bahnstrecken und Bahnhöfe einen regelmäßigen Service. Bis der Semmering-Basistunnel in Betrieb geht, rollen täglich rund 180 Züge über die 169 Jahre alte, denkmalgeschützte Semmeringstrecke. Durch die topografisch exponierte Lage und die entsprechend widrigen Witterungsbedingungen sind die Bahnanlagen großer Beanspruchung ausgesetzt.
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23 Millionen Investition im Jahr 2023
Große Temperaturschwankungen, Schnee und Frost verlangen den Kunstbauten und Gleisanlagen der Strecke einiges ab. Dazu kommt die Abnützung durch den täglichen Personen- und schweren Güterverkehr. Die Summe dieser Faktoren macht es notwendig, die Semmering-Bergstrecke Schritt für Schritt zu sanieren. Die aktuelle Revitalisierungswelle läuft seit einigen Jahren. Heuer liegt das Hauptaugenmerk auf der Sanierung der „Kalten Rinne“ – das Viadukt wird generalüberholt, in den nächsten vier Monaten stehen die Arbeiten auf einem der beiden Gleise auf dem Programm. Außerdem werden die ersten Bahnsteigverlängerungen des „S-Bahn Wien Upgrades“ im Bahnhof Payerbach-Reichenau umgesetzt: Bahnsteig 1 wird neu gebaut und barrierefrei gestaltet und Bahnsteig 2/3 wird um 60 Meter verlängert. In Breitenstein werden die Entwässerungsanlagen und zwischen Breitenstein und Semmering die Oberleitung in den Tunneln erneuert. Die Investitionssumme für die Maßnahmen auf der Semmering-Bergstrecke im heurigen Jahr beläuft sich auf 23 Millionen Euro.
Wie funktioniert die Sanierung eines Viadukts?
Zunächst muss das Viadukt eingerüstet werden. Die Brüstungsmauern werden abgetragen und in ein Steinmetzwerk transportiert, um sie dort zu bearbeiten und zu sanieren. Da die Viadukte unter Denkmalschutz stehen, müssen alle Steine erhalten bleiben und das gesamte Material der Brüstungsmauern schonend abgetragen werden – dies auch deshalb, weil die Steinbrüche in der Region, aus denen die Steine stammen, seit Jahrzehnten geschlossen und somit keine Ersatzsteine vorhanden sind. Um zu den Viadukten überhaupt vordringen zu können, wurden eigens Baustellenzufahrtsstraßen errichtet. Nun laufen die Hauptarbeiten – das heißt, es wird mit dem Abtrag der Brüstungsmauern der Viadukte begonnen. Der Abtrag der Steine erfolgt unter laufendendem Bahnbetrieb. Das bedeutet, dass auf einem der beiden Gleise gearbeitet wird und auf dem anderen die Züge vorbeifahren (eingleisiger Betrieb).
Präzises Puzzle-Spiel
Im Vorfeld müssen zunächst alle Steine aufgenommen, nummeriert und vermessen werden. Es handelt sich um 1.890 Steine pro Gleisseite. Diese werden zunächst mit einem großen Bagger vom Viadukt abgehoben. Ein kleiner Bagger fährt auf einem „Arbeitszug“, der aus ca. sechs bis sieben Waggons besteht, hin und her und lagert die Steine in der richtigen Reihenfolge ab. Das gewährleistet, dass auch beim Einbauen wieder ein Stein nach dem anderen in der richtigen Reihenfolge aufgenommen werden kann und nichts durcheinander gerät. Alle Tätigkeiten erfordern daher eine enorme Präzision und eine genaue Einhaltung der geplanten Abläufe. Die Außenansicht des Viadukts muss unverändert bleiben. Das ist Vorgabe des Bundesdenkmalamts, weshalb die Arbeiten auch vom Bundesdenkmalamt genau überwacht werden. Im Vorfeld musste deshalb auch ein Probestein von den Viadukten bearbeitet werden, um sicherstellen zu können, dass die Steine schadfrei bearbeitbar sind.
Hülle konservieren, Innenleben erneuern
Nach Abtrag der Brüstungsmauer auf einer Gleisseite bauen wir eine lastverteilende Stahlbeton-Tragwerksplatte im Viadukt ein. Darunter liegt eine elastische Lagerdämmplatte – die beiden Komponenten bilden gemeinsam ein Masse-Feder-System, das den Druck, den ein drüberfahrender Zug ausübt, besser auf den gesamten Untergrund verteilt. Zudem wird eine neue Tragwerksentwässerung hergestellt, damit es zu keinen Frostschäden kommt. Die Wässer müssen gesammelt und abgeleitet werden, damit diese nicht mehr in die Viadukte eindringen können und somit keine weiteren Schäden anrichten. Über die gesamte Tragwerksbreite wird die Ankerung erneuert. Dazu bohrt ein rund neun Meter langer Bohrer ein Loch, in dem der Anker gesetzt und dann mit Zement verpresst wird. Der Anker hat die Funktion, das Viadukt zusammenzuhalten. Schließlich muss so ein Steinmauerwerk auch das enorme Gewicht der Güterzüge tragen.
2023 werden die Arbeiten auf einer Gleisseite durchgeführt, 2026 auf der zweiten. Danach wird die Mittelfuge zwischen den beiden Tragwerksplatten geschlossen. Dafür ist dann im September 2026 eine zehntägige Totalsperre der Semmering-Bergstrecke erforderlich.