„Der Cityjet eco kennt drei Gewinner: Den Bahnbetreiber, die Fahrgäste und die Umwelt.“

Mai 28, 2020 | Bahnindustrie, Innovation, Interviews

Neben- und Anschlussbahnen sind für ein zukunftsfähiges sowie attraktives System Bahn sehr wichtig! Siemens Mobility hat mit dem Cityjet eco einen Zug kreiert, der auch auf nicht elektrifzierten Strecken emissionsfrei unterwegs ist und den Fahrgästen hohen Komfort bietet. Ich habe mit Arnulf Wolfram, CEO Siemens Mobility Austria GmbH, unter anderem über die Entwicklung des Cityjet eco gesprochen.


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Arnulf Wolfram, CEO Siemens Mobility Austria GmbH

Welchen Beitrag kann der Batteriezug Cityjet eco für eine effiziente und zukunftsfähige Mobilität leisten?

Wir haben mit dem Cityjet eco den ersten elektro-hybriden Zug entwickelt, der die umfassende behördliche Zulassung für den regulären Fahrgastbetrieb erhalten hat. Seit August 2019 ist dieser Zug im Fahrgastbetrieb auf unterschiedlichen Strecken einwandfrei unterwegs. Die Basis dafür bildete der Desiro ML von Siemens Mobility, der zusätzlich mit Batterien ausgestattet wurde. Damit können Dieselzüge mit ihren CO2-Emissionen durch einen modernen, elektrisch betriebenen Zug ersetzt werden, der Annehmlichkeiten für Fahrgäste wie Klimaanlage oder etwa WLAN bietet. Mit dieser Lösung wird das Angebot auf der Schiene – insbesondere aufgrund der nun möglichen Durchbindung von Zugsverbindungen – deutlich attraktiver, sodass es vielen Menschen – zum Beispiel Pendlern – wesentlich leichter fällt, das eigene Auto stehen zu lassen. Man könnte sagen, dass die Emissionen insofern in gewisser Weise doppelt gesenkt werden: Auf der Schiene und auf der Straße. Der Desiro ML eco bietet eine Reihe konkreter Vorteile für Betreiber, Fahrgäste und die Umwelt. Er ist der Beleg dafür, dass ein Batteriezug besonders wirtschaftlich sowie zuverlässig ist und daher eine besonders nachhaltige Zukunftslösung für attraktiveres Bahnfahren im ländlichen Raum darstellt.

Was war ausschlaggebend, um einen Batteriezug zu entwickeln und auf den Markt zu bringen?

Wir beschäftigen uns täglich mit der Frage, wie wir den Verkehr intelligenter gestalten und die Nachhaltigkeit steigern können. Daher bietet Siemens Mobility unterschiedliche alternative Antriebsformen an, vom Wasserstoff bis zum elektro-hybriden Batteriezug.

Die Analyse des österreichischen Streckennetzes hat gezeigt, dass etwa 25 Prozent der Strecken nicht elektrifiziert sind. Dabei handelt es sich um meist eher kurze Streckenabschnitte. Um sie befahren zu können, müssen Dieselfahrzeuge eingesetzt werden, die aber auch dann CO2 Emissionen ausstoßen, wenn sie auf elektrifizierten Streckenabschnitten fahren. Für diesen konkreten Anwendungsbereich in Österreich ist ein elektrisch-hybrides Fahrzeug mit Batterie zweifellos die beste Lösung.

Deswegen sind wir auch sehr froh, mit den ÖBB einen Partner gefunden haben, der den Nutzen dieses Konzepts sofort erkannt hat. Gemeinsam führen wir den Zug nun schon fast zehn Monate im regulären Fahrgastbetrieb. Durch Berechnungen und dem Praxisbetrieb steht fest, dass elektro-hybride Batteriezüge mit einer vergleichsweise geringen Investition realisierbar sind, ohne Einschränkungen zugelassen werden können und ihre Vorteile im Echtbetrieb vom Bahnbetreiber und auch den Fahrgästen sehr rasch genutzt werden können.

Was waren die Herausforderungen beim Projekt Cityjet eco?

Wir haben am Reißbrett und im Labor rasch gesehen, dass dieser Weg aussichtsreiche Perspektiven hat. Ein Testbetrieb in der Praxis und auch mit Fahrgästen ist aber trotz umfassender Simulationen etwas anderes und schärft den Blick auf mögliche Verbesserungspotentiale. Beispielsweise konnten wir die Leistungsfähigkeit der Akkus nur in der Praxis gründlich testen: Unter wechselnden Witterungsverhältnissen vom heißen Sommer und einem kalten Winter sowie bei unterschiedlicher Zuladung.

Was würden Sie sagen, ist das Besondere an diesem Zug?

Der Zug kennt drei Gewinner: Den Bahnbetreiber, die Fahrgäste und die Umwelt. Den Bahnbetreibern verleiht das Konzept mit vergleichsweise geringer Investition schon kurzfristig mehr Flexibilität bei der Zugumlaufplanung der gesamten Flotte. Zusätzlich werden Direktzüge auf völlig neuen Relationen möglich, für die man früher entweder aufwändig umspannen musste oder die Fahrgäste zum Umsteigen gebeten hat.

Die Fahrgäste genießen alle Annehmlichkeiten eines modernen Zugs wie etwa Klimaanlage, WLAN, unabhängig davon ob der Zug mit Strom aus der Batterie oder aus der Fahrleitung fährt. Sie erhalten auch auf sogenannten Nebenstrecken ein leistungsfähiges und attraktives Angebot und die Möglichkeit, ihre Mobilität umweltfreundlich mit der Bahn abzuwickeln.

Der Vorteil für die Umwelt liegt auf der Hand, weil CO2 Emissionen eingespart werden und so ein konkreter Beitrag gegen den Klimawandel geleistet wird. Der Cityjet eco fährt mit 100 % erneuerbarer Energie, und durch Rekuperation wird Energie zurückgewonnen.

Oftmals wird an der Ökologie von Batteriefahrzeugen gezweifelt – ist ein Batteriezug nun ein Schritt in Richtung Klimaschutz?

Ich halte Kritik am Einsatz einer reinen Batterielösung für unseriös, denn technisch gesehen benötigen auch andere Antriebsarten wie etwa Wasserstoffantriebe Batterien.
Die im Desiro ML eco eingesetzte Batterietechnologie kann 15 Jahre lang im Einsatz sein, daher wird sie nur einmal in der Lebensdauer des Zugs zu wechseln sein. Gegenüber der Straße ist der Zug im Vorteil: Mit einer Kapazität von 528 kWh – das ist so viel wie 15 e-Golf Kompaktautos – ist er in der Lage, etwa 15 Jahre lang auf jeder Fahrt bis zu 448 Fahrgäste bei vollem Fahrgastkomfort zu befördern. Mit e-Autos wären das nur 75 Personen.

Bleibt man auf der Schiene und vergleicht einen Batteriezug mit anderen Antriebsformen wie etwa dem Wasserstoff, müssen Effekte wie etwa die Effizienz der Wasserstofferzeugung, Kosten- und Umwelteffekte des Wasserstofftransports sowie aus der Errichtung entsprechender Tankstellen sowie die Treibstoffkosten für den Fahrbetrieb selbst berücksichtigt werden.

Die absehbare weitere Verbreitung von Elektromobilität wird zu einem stark verbesserten Ressourcenkreislauf bei den Batterien führen. Beispielsweise ist Batterierecycling mittlerweile technisch machbar und wird industriell bereits vereinzelt umgesetzt.
Letztendlich bietet der DesiroML eco eine weitere Besonderheit: Da die ÖBB ihre Züge mittlerweile zu 100 Prozent mit grünem Strom betreiben, lädt der Cityjet eco seine Batterien auch ausschließlich mit erneuerbarer Energie.

Was sind die Vorteile des Batteriezuges gegenüber Dieselzügen?

Der größte Vorteil gegenüber Dieselzügen ist das Fehlen jeglicher CO2-Emissionen während der Fahrt und auch während des Halts in den Bahnhöfen. Das ist neben dem Umweltaspekt auch eine Frage des Reisekomforts, zum Beispiel für wartende Fahrgäste am Bahnsteig. Im Zug selbst erleben Fahrgäste durch den elektrischen Antrieb eine weitgehend vibrationsfreie Fahrt. Auch Anrainer von Bahnstrecken atmen auf, wenn sie zum Beispiel im Winter nicht mehr frühmorgens von den lauten Dieselmotoren geweckt werden, weil der Morgenzug in die nächste Stadt vorgeheizt werden muss. Das erfolgt beim Cityjet eco völlig geräuschlos.

Schließlich möchte ich noch auf das wachsende Umweltbewusstsein unserer Gesellschaft hinweisen. Das immer größere Umweltbewusstsein kann ein Katalysator dafür sein, dass Menschen verstärkt einer besonders smarten und nachhaltigen Mobilitätsform suchen. Auch hier punktet der Cityjet eco, denn statt individuellem Verzicht gewinnen Fahrgäste durch eine sichere und rasche Zugfahrt mit Klimaanlage und bestehender online Verbindung via WLAN konkrete Lebenszeit. Mit dem Cityjet eco wird Bahnfahren auch auf Nebenstrecken zum persönlichen Lifestyle.

Was zeigen die ersten Erfahrungen mit dem Cityjet eco?

Das Fahrzeug hat sich bereits als Prototyp im Passagierverkehr sehr schnell bewährt, es ist ja seit August 2019 unterwegs. Von den ÖBB auf verschiedenen Strecken in mehreren Bundesländern unter realen Bedingungen im Fahrgastbetrieb eingesetzt, konnten sich die Fahrgäste davon überzeugen, wie attraktiv das Schienenverkehrsangebot auch auf Nebenstrecken aussehen kann. Auch in Fachkreisen haben wir internationale Aufmerksamkeit geweckt, da er ja der erste für den Fahrgastbetrieb zugelassene Batteriehybridzug seiner Art ist. Die Erkenntnisse aus den Fahrten zeigten, dass das Konzept des Cityjet eco in seiner Beschaffenheit und mit seiner Batteriekapazität optimal für das österreichische Streckennetz und die darin noch nicht-elektrifizierten Teilstücke geeignet ist.

Innenraum Cityjet eco

Was glauben Sie ist der Anspruch an die Mobilität der Zukunft, und wie kann hier der Batteriezug helfen?

Die Mobilität der Zukunft wird auf Schiene und Straße nachhaltiger abgewickelt werden als sie es heute wird. Bringt man mehr Intelligenz in Form von IT- Lösungen in das System, wird das auch weitgehend ohne zusätzlichen Beton gelingen. Das Spektrum reicht hier von predictive maintenance Lösungen, also vorausschauender Wartung für mehr Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit, über nahtlose Mobilitätsketten und natürlich einer modernen Infrastruktur für Straße und Schiene für ein entsprechendes Plus an Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. 

Nicht zuletzt muss Mobilität der Zukunft auch inklusiver und intuitiver nutzbar sein. Damit meine ich, dass es ein niederschwellig nutzbares Angebot für die alternde Gesellschaft braucht. Das gilt sowohl für die Metropolen als auch den ländlichen Regionen. Es ist der Schlüssel für gesellschaftliche Teilnahme, gegen die Landflucht junger Menschen und für lebenswertes Leben abseits der Ballungsräume.

Auch im Fahrzeugbereich werden wir eine weitere signifikante Zunahme des Anteils an SW-basierten Teilsystemen sehen, die mit intelligenten Lösungen sowohl Betreibern, Fahrgästen, Umwelt und Stakeholdern Vorteile bringen werden. Insofern bin ich davon überzeugt, dass der Cityjet eco bereits ein Blick durch das Schlüsselloch auf die Mobilität von morgen ist. Mit seinen vergleichsweisen geringen Kosten, seiner hohen Wirtschaftlichkeit, der Barrierefreiheit, den Vorteilen für alle Beteiligten und seiner vielseitigen Einsetzbarkeit ist er schon heute ein Gruß aus der Zukunft.

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