Die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der Eisenbahnregulatoren zeigt sich seit Beginn der weltweiten Krise umso deutlicher. Der im Bericht dargestellte Datenvergleich der europäischen Länder und die angeführten ergriffenen Hilfsmaßahmen liefern eine gute Übersicht über die Entwicklungen und Herangehensweisen am Schienenverkehrsmarkt seit Ausbruch der Pandemie“, so Maria-Theresia Röhsler, Geschäftsführerin der Schienen-Control, anlässlich der Veröffentlichung des 10. Marktberichts der Independent Regulators‘ Group-Rail (IRG-Rail).
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Der jährlich erscheinende Bericht bietet einen umfassenden Überblick über die Entwicklungen sowie die wirtschaftlichen Bedingungen im Eisenbahnsektor. Er ermöglicht somit die kontinuierliche Beobachtung des Eisenbahnmarktes und liefert zudem Hinweise auf dessen Wettbewerbsfähigkeit. Neben der regelmäßigen Darstellung der Entwicklung wichtiger Indikatoren des europäischen Schienenverkehrs aus den Bereichen Eisenbahnnetze, Infrastruktur-Benützungsentgelte, Marktteilnehmer sowie Güter- und Personenverkehrsmärkte enthält der Bericht zahlreiche Analysen der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Sektor.
Nachfolgend ein Überblick zu den aus österreichischer Sicht interessantesten Ergebnissen des Berichts:
Österreich bleibt Bahnland Nummer Eins unter den EU-Mitgliedsstaaten
Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat 2020 insbesondere den Personenverkehr schwer getroffen. Zwar fuhren in Europa aus Gründen der Mobilitätssicherung viele Züge weiterhin, allerdings wurden diese wegen der Lockdowns bzw. Reisebeschränkungen wesentlich schwächer frequentiert. Das lässt sich an der Verkehrsleistung ablesen, die mit 49 Prozent europaweit beinahe um die Hälfte geschrumpft ist. Vor allem der (oft internationale) Fernverkehr hat unter den Folgen der Pandemie gelitten, hier sind die Personenkilometer deutlich stärker zurückgegangen als im (überwiegend national stattfindenden) Nahverkehr. Der hierzulande seit 2011 verzeichnete kontinuierliche Anstieg der durchschnittlich pro Jahr und Einwohner*in zurückgelegten Bahnkilometer wurde dadurch ebenfalls unterbrochen. Allerdings bleibt Österreich hier mit 832 Bahnkilometern (2019: 1.507 Kilometer) unverändert Bahnfahrland Nummer Eins innerhalb der Europäischen Union. Knapp dahinter liegen mit ebenfalls stark rückläufigen Zahlen Frankreich (829 Kilometer) und Schweden (783 Kilometer) gefolgt von Dänemark, Deutschland und Belgien.
Entwicklung des Schienengüterverkehrsmarktes im ersten Jahr der Pandemie
Die Auswirkungen der Pandemie machten sich auch am Schienengüterverkehrsmarkt direkt bemerkbar, wenngleich nicht so markant wie im Personenverkehr. Trotz des spürbaren wirtschaftlichen Abschwungs und pandemiebedingt unterbrochener Lieferketten war der innereuropäische Schienengüterverkehr weitestgehend intakt. Im Gegensatz zum Personenverkehr sind der nationale und der internationale Güterverkehr in etwa im selben Ausmaß zurückgegangen. 2020 wurden im europäischen Schienengüterverkehr in 31 Ländern rund 431 Milliarden Nettotonnenkilometer erbracht, gegenüber 2019 bedeutet das einen Rückgang von rund sechs Prozent. Unverändert hielt Deutschland mit 123,3 Milliarden Nettotonnenkilometern den größten Anteil am Gesamtvolumen, gefolgt von Polen mit 52,2 Milliarden und Frankreich mit 31,4 Milliarden. Hinter Italien (23,5 Milliarden) und Schweden (22,1 Milliarden) lag Österreich mit 21,6 Milliarden Nettotonnenkilometern absolut betrachtet auf dem beachtlichen sechsten Platz. Im Vergleich zum Jahr 2019 verzeichnete Österreich allerdings ebenfalls einen Rückgang von knapp sieben Prozent.
Entwicklung der Marktanteile
Die Gesamtbetrachtung der Marktanteile für Europas Schienengüterverkehr zeigt für 2020 folgendes Bild: Im Schnitt wurden 52 Prozent der Verkehrsleistung vom jeweiligen heimischen Incumbent, d.h. dem (ehemaligen) Staatsbahnunternehmen, erbracht (minus ein Prozentpunkt). Demgegenüber hielt die stetig wachsende Gruppe der Privatgüterbahnen Anteile von 35 Prozent, die übrigen 13 Prozent entfielen auf das Aggregat der ausländischen Incumbents. Im Wesentlichen folgt die Situation in Österreich einem ähnlichen Trend: Der heimische Incumbent Rail Cargo Austria hat ebenfalls Marktanteile verloren und lag bei 67 Prozent aller Nettotonnenkilometer, während auf die Privatgüterbahnen 26 Prozent und auf die ausländischen Incumbents sieben Prozent entfielen.
Allgemein ist die Liberalisierung des europäischen Schienengüterverkehrsmarktes bereits weit fortgeschritten, neben den steigenden Marktanteilen der Privatgüterbahnen lässt sich das auch an der Anzahl der jährlich hinzukommenden Eisenbahnunternehmen ablesen. So haben beispielsweise 2020 dreizehn Staaten (inklusive Österreich) eine Zunahme der im Güterverkehr aktiven Unternehmen festgestellt.
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie: Staatliche Gegenmaßnahmen
Im Einklang mit einer von der Europäischen Union erlassenen Verordnung zum Schutz des Eisenbahnsektors vor den Auswirkungen der Pandemie wurden in etlichen Ländern Hilfsmaßnahmen für die Branche ergriffen. Diese umfassen unter anderem die Anpassung (Ermäßigung, Erlass bzw. Stundung) der Infrastruktur-Benützungsentgelte, wobei dem Infrastrukturbetreiber die Einnahmenausfälle in weiterer Folge vom Staat ersetzt werden. Eine weitere Maßnahme mancher Staaten war beispielsweise die Bestellung von Verkehren durch die öffentliche Hand.
In Österreich wurden 2020 zum einen die Infrastruktur-Benützungsentgelte für einzelne Marktsegmente rückwirkend ausgesetzt, zum anderen fand eine mehrmals verlängerte Notvergabe von Mitteln für die ursprünglich eigenwirtschaftlichen Fernverkehre der ÖBB-Personenverkehr und der WESTbahn auf der Hauptfernverkehrsstrecke zwischen Wien und Salzburg statt.