Der Öffentliche Personennahverkehr in Norddeutschland (ÖPNV) befördert vorwiegend Schülerinnen und Schüler zur Schule und wieder nach Hause. Mancherorts liegt ihr Anteil an der Gesamtzahl der Fahrgäste bei 90 Prozent. Erwachsene Fahrgäste nutzen den ÖPNV vielerorts kaum. Das ergab eine Abfrage des NDR Politikmagazins „Panorama 3“ bei allen 71 Landkreisen und kreisfreien Städten im Norden. Diese sind für die Organisation des ÖPNV zuständig. Gefragt wurde nach Daten für die Jahre 2019 und 2021. In der Regel ging es dabei um den Busverkehr, weil der regionale Schienenverkehr über die Länder finanziert wird.
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Um die im Klimaschutzgesetz vorgegebenen Ziele zu erreichen, müssen insbesondere im ländlichen Raum Alternativen zum Auto vorhanden sein. Der Öffentliche Personennahverkehr könnte hier eine Schlüsselrolle spielen. Die Recherchen von „Panorama 3“ zeigen, dass der ÖPNV die Funktion eines Pkw-Ersatzes in weiten Teilen Norddeutschland gegenwärtig kaum erfüllt.
„Wenn wir die Daten im ländlichen Raum betrachten, dann fällt natürlich erst mal auf, dass nur sehr wenige Menschen überhaupt den ÖPNV nutzen. Also ungefähr vier bis fünf Prozent der Wege auf dem Land werden mit dem ÖPNV zurückgelegt“, sagt der Verkehrsexperte Prof. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gegenüber „Panorama 3“.
Der sogenannte Jedermannverkehr finde im ländlichen Raum nicht statt, so Knie. Dies ist insofern bemerkenswert, da laut Deutschem Landkreistag 68 Prozent der Menschen in Deutschland außerhalb einer Großstadt leben. Die Anzahl zugelassener Pkw in Deutschland hat mit 48,8 Millionen zum 1. Januar 2023 zudem einen neuen Höchststand erreicht, rund 98 Prozent davon haben einen Verbrennungsmotor. Diese Fahrzeuge sorgen dafür, dass die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor nicht sinken.
Die Datenlage unter den befragten Landkreisen und kreisfreien Städten ist oft sehr lückenhaft, wie die Recherche von Panorama 3 zeigt: Eine Vielzahl der befragten Landkreise und kreisfreien Städte konnte nicht mitteilen, wie der ÖPNV prozentual ausgelastet ist. Ähnlich verhält es sich bei der Anzahl der transportierten Personen. Hier konnten einige keine konkreten Zahlen nennen.
Die Abfrage zeigt auch, dass die Ausgaben der Landkreise und kreisfreien Städte für den ÖPNV deutlich zunehmen. Besonders dramatisch ist das Beispiel der Region Hannover, die auch für den regionalen Schienenverkehr in und um die niedersächsische Landeshauptstadt zuständig ist. 2019 wurden 79,1 Millionen Euro an Eigenmitteln für den ÖPNV ausgegeben. Zwei Jahre später waren es schon 163,1 Millionen Euro. Gleichzeitig sind die Einnahmen aus Ticketverkäufen in diesem Zeitraum massiv zurückgegangen – möglicherweise eine Auswirkung der Corona-Pandemie. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, fordert daher im Interview mit „Panorama 3“ für die kommenden Jahre vom Bund zusätzlich 50 Milliarden Euro für den ÖPNV bis zum Jahr 2030. Schon heute fehle vielen Landkreisen das Geld für den ÖPNV, so Sager. Auf Anfrage von „Panorama 3“ teilte das Bundeverkehrsministerium mit, dass es über eine bereits vereinbarte Erhöhung der Nahverkehrsmittel hinaus keine Unterstützung geben werde.
„Panorama 3“ berichtet über das Thema am Dienstag, 21. März, um 21.15 Uhr im NDR Fernsehen.