Aufgrund der Corona-Krise sind die Fahrgastzahlen im Schienenpersonenverkehr um 90% eingebrochen – vor allem für eigenwirtschaftliche Verkehre oder Privatbahnen ist dies eine schwierige Lage. Ich konnte mit Nick Brooks, Generalsekretär Allrail (Alliance of Rail New Entrants), über die Situation, und den damit einhergehenden Herausforderungen, bei den Privatbahnen sprechen.
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Mit welchen Herausforderungen kämpfen kleinere Bahnunternehmen beziehungsweise Privatbahnen in Zeiten der Corona-Krise und den damit einhergehenden Beschränkungen?
Die Gesundheit der Passagiere und des Personals hat höchste Priorität. Die Bahnunternehmen müssen nun durch zusätzliche Maßnahmen ihr Allerbestes geben, um jede einzelne Neuinfektion zu vermeiden, damit jeder Fahrgast eine sichere Reise hat.
Gleichzeitig schmerzt der dramatische Rückgang der Fahrgäste sehr, und zwar nicht nur in den Fällen, wo der grenzüberschreitende Verkehr gekappt wurde.
Man muss es sich mal vor Augen führen: gerade in den letzten Jahren hat der Schienenpersonenverkehr durch zusätzliche Anbieter stark an Attraktivität gewonnen – der war bis Anfang 2020 eine echte Wachstumsbranche! Die Nachfrage ist aber seit Anfang März plötzlich um über 90% gefallen – der krasse Gegensatz.
Die Coronavirus-Krise ist also eine ernsthafte Bedrohung für die vielen Vorteile, die der Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr in den vergangenen Jahren herbeigeführt hat
Wie reagiert man auf diese Herausforderungen?
Die Bahnen, die bei uns Mitglied im Verband sind, stehen in engem Kontakt mit den Gesundheitsbehörden und befolgen bzw gehen über die empfohlenen Maßnahmen hinaus. Zum Beispiel hat LEO Express mit Sitz in Prag Anfang dieser Woche sogar ein Kurzvideo darüber gepostet, wie sorgfältig das Unternehmen mit der Bordreinigung umgeht. Es verteilt sogar kostenlosen Mundschutz an Bord:
Sobald die Einnahmen bei den Privatbahnen bzw. kleinen Bahnen aber unter die variablen Kosten fallen, dann kann dies im schlimmsten Falle zur vollständigem Einstellung des Betriebs führen. Man ist also aufgefordert, gleichzeitig Kosten zu senken wie auch Finanzhilfen zu besorgen, die die kurzfristige Liquidität in den Bahnunternehmen sichern.
Können Sie abschätzen, wie hoch der Verlust im europäischen Privatbahn-Sektor ist?
Über den Verlust kann ich weniger sagen, denn unsrem Verband ist die genaue Kostensituation bei jeder einzelnen Mitgliedsbahn nicht bekannt.
Allerdings kann ich schon sagen, dass die Einnahmeausfälle bei allen Privatbahnen bzw. kleinen Bahnen in Europa sich aufgrund der sehr abgeschwächten Nachfrage bis Ende des Jahres 2020 auf eine Milliarde Euro beziffern könnten.
Was würden Sie sich von der Politik in Europa wünschen?
Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen (nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden CO2-Bilanz des Schienenpersonenverkehrs) sicherstellen, dass Unternehmen im Schienenverkehr schnell und unbürokratisch Unterstützung bekommen, um rasch wieder den Vollbetrieb aufnehmen zu können, sobald die Krise vorbei ist. Es ist dringend notwendig, den gesamten Personenschienenverkehr von allen Anbietern, der vor der Krise stattfand, zu sichern.
Dazu zählen Maßnahmen wie eine temporäre Anpassung bei der Vergabe von Staatshilfe, um unmittelbar im Zusammenhang mit der Verbreitung des Coronavirus stehende Einnahmeausfälle kompensieren zu können, sowie Steuererleichterungen und andere Maßnahmen, die direkt unter der Kontrolle der Mitgliedsstaaten stehen (z.B. die Reduzierung der Trassenentgelte an die staatlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen)
Während die Umsetzung von diesen Maßnahmen vorwiegend bei den Mitgliedsstaaten liegt (die EU hat kein eigenes Budget dafür und besitzt auch keine Bahninfrastruktur), muss die EU dafür sorgen, dass diese unverzüglich sowie unabhängig von den Eigentumsverhältnissen der Bahnen (staatlich oder privat) erfolgt. Nicht zuletzt muss von der EU beaufsichtigt werden, dass die gegenwärtige Krise nicht irgendwo in Europa zu einem Vorwand für illegale staatliche Beihilfen und somit den Todesstoß für den dringend benötigten Wettbewerb auf der Schiene wird.