Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nicht nur die Welt erschüttert, sondern auch dazu geführt, dass die Preise für Öl und Gas auf einen historischen Höchststand geklettert sind. Für die VerbraucherInnen bedeutet das hohe Spritpreise, Autofahren belastet neben der Umwelt also auch immer mehr das Geldbörsel. Als erste Gegenmaßnahme hat die Politik geplant, das Pendlerpauschale zu erhöhen, verspricht aber weitere Unterstützungen. Während Interessenvertretungen der AutofahrerInnen größere Entlastungen fordern, verlangen BefürworterInnen einer ökologischen Verkehrswende ein rasches Aus für Verbrennungsmotoren.
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Steigende Preise, aber Uneinigkeit bei den Maßnahmen
Die gefürchtete 2 bei den Spritpreisen ist Geschichte, jedoch bleiben die Preise aufgrund des Ukrainekriegs exorbitant hoch. Für viele ist Tanken zum Luxusgut geworden. Daher präsentierte die Regierung zwei Maßnahmenpakete im Umfang von 3,7 Mrd. €, die vor allem jenen zugutekommen sollen, die vom Auto abhängig sind. So soll das Pendlerpauschale um 50 Prozent erhöht und der Pendlereuro vervierfacht werden. Die Maßnahmen sind vorerst mit dem Ablaufdatum Ende Juni 2023 versehen.
Beim Spritpreis selbst wolle man nicht eingreifen, führten die Vertreter der Regierungsfraktionen aus. So sei die von der Opposition geforderte Senkung der diesbezüglichen Steuern kein Thema. Eine Senkung der Mehrwertsteuer sei „aus europarechtlicher Sicht schon einmal gar nicht möglich“, so Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in einem Videoausschnitt einer Pressekonferenz, und „auch nicht treffsicher“. Der ehemalige SPÖ-Verkehrsminister Alois Stöger stellte hingegen eine Preisregelung bei Treibstoffen als wichtige Maßnahme in der aktuellen Situation dar. Jedoch sei dieses vom Nationalrat vorgesehene Instrument von der dafür zuständigen Wirtschaftsministerin nicht umgesetzt worden, so Stöger. Die NEOS stehen einer Preisregelung wiederum sehr skeptisch gegenüber, so der pinke Verkehrssprecher Johannes Margreiter, da man „grundsätzlich an das Funktionieren des Marktes“ glaube. Es sei aber Handlungsbedarf gegeben, da es den Anschein habe, „dass Mineralölkonzerne die Situation schamlos zulasten der Konsumenten ausnützen“. Man sehe die Probleme der fossilen Inflation jedoch umfassend und sei der Meinung, dass die Regierung mit ihren Maßnahmen an den falschen Hebeln ansetze, da vor allem die PendlerInnen und nicht alle Haushalte entlastet würden, betonte Margreiter. Aus diesem Grund sei jetzt die kalte Progression abzuschaffen.
„Es braucht bei einer Verkehrswende mehr als den Spritpreis“, zeigte sich der Grünen-Verkehrssprecher Hermann Weratschnig überzeugt. Es brauche diese ambitionierten Umsetzungsziele, die sich die Koalition gesetzt habe, und einen „aktiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs“, womit mit dem ÖBB-Rahmenplan in der Höhe von 18,2 Mrd. € ein Grundstein gelegt sei. Im Bundesmobilitätsmasterplan sei ein Bündel von Maßnahmen, wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs (ÖV) und die Dekarbonisierung, vorgesehen, um die Klimaziele bis 2040 zu erreichen. Es brauche zudem Verbesserungen für die letzte Meile, also jene von der Haltestelle bis zum Wohnort, wie die geplante Novelle der Straßenverkehrsordnung zugunsten von Radfahrenden.
Die Bahn als klimafreundliche Alternative
Schon 2007 habe eine SPÖ-geführte Regierung begonnen, verstärkt in den öffentlichen Verkehr, insbesondere in die Schiene, zu investieren, erinnerte SPÖ-Verkehrssprecher Stöger. Die Erfolge der Maßnahmen seien an den vollen Zügen zwischen Salzburg und Wien zu erkennen. Wenn man eine Verkehrswende und klimaneutralen Verkehr wolle, so Stöger, müsse man die Bahnverbindungen weiter ausbauen.
Joachim Schnabel sprach sich genauso für den Individualverkehr sowie den Ausbau des öffentlichen Verkehrs aus. Man müsse den Verkehr „zweifach verlagern“, einerseits vom Individualverkehr zum öffentlichen Verkehr, wo es den PendlerInnen zumutbar sei, andererseits aus den Dörfern neben den Autobahnen zurück auf die Autobahnen. Zudem sei eine Defossilisierung des Verkehrs notwendig, um „aus dem CO2-Zeitalter“ herauszukommen.
Bettina Gusenbauer von den ÖBB stellte bei allen Parteien einen Rückhalt für den Ausbau der Bahn fest. Es gebe einen Rahmenplan und ein in Umsetzung befindliches Zielnetz. Dabei gelte man als Best-Practice-Beispiel in Europa. Für die ÖBB seien die Maßnahmen für die erste und die letzte Meile vorrangig zu behandeln. Auch sei es wichtig, dass gerade in ländlichen Regionen das Busnetz „als echte Alternative zum Zweitauto“ ausgebaut werden müsse, wobei der öffentliche Verkehr den motorisierten Individualverkehr nie ganz ersetzen könne. Ein E-Bus könne bei wenig frequentierten Strecken deutlich effizienter eingesetzt werden als die Bahn. Jedoch sei „die Zeit des Stilllegens von Regionalbahnen sicherlich vorbei“, hielt die Vertreterin der ÖBB fest. So arbeite man gerade mit den Bundesländern und dem Bund an der Verbesserung der Regionalbahnverbindungen, um eine entsprechende Alternative für PendlerInnen bieten zu können. Die ÖBB würden sich zudem beim Pendlerpauschale mehr Anreize in Richtung öffentlichen Verkehr wünschen, so könnten zum Beispiel jene PendlerInnen, die mit einem ÖV-Jahresticket unterwegs sind, eine höhere Pauschale erhalten.
Ist die Zahl der zugelassenen PKW halbierbar?
In Bundesministerin Leonore Gewesslers Vorgehen sah Bernhard Wiesinger vom ÖAMTC den „alten, tradierten Kampf der Grünen gegen das Auto“. Wenn man den Weg eines erzwungenermaßen höheren Preises für das Autofahren verfolge, müsse man auch annehmbare Alternativen bieten. Daher sei es besser, die Gelder nicht ins Klimaticket, sondern in die Verbesserung der Verbindungen und die Taktverdichtung zu investieren.
Um die entsprechenden Klimaziele zu erreichen, müsste man die Zahl der momentan in Österreich zugelassenen 5,1 Millionen PKW bis 2030 circa halbieren, so der Vertreter des ÖAMTC. Das gehe sich schlicht und einfach nicht aus, daher gelte es, technologieneutral zu agieren, alternative Kraftstoffe zu fördern und auch jene Menschen einzubinden, die sich kein E-Auto leisten können, um sozialen Problemen vorzubeugen.
Die letzte Meile mit dem Mikro-ÖV
Statt der Anbindung kleiner Gemeinden mit dem Postbus brauche es flächendecken Mikro-ÖV, also kleinräumigen und bedarfsgesteuerten öffentlichen Nahverkehr, für den es allerdings keine strukturierte Förderung vonseiten der Länder und des Bundes gebe, so Wiesinger. Für die Umsetzung von Mikro-ÖV sei zudem eine für Regionen maßgeschneiderte Umsetzung notwendig, um das Angebot möglichst attraktiv zu machen. Abgeordneter Schnabel verwies darauf, dass in der Südweststeiermark mittlerweile seit drei Jahren in 43 Gemeinden ein Mikro-ÖV-System betrieben werde. Da diese Maßnahme die letzte Meile erschließe, sei es notwendig, sie ins Klimaticket sowie die regionalen Ticketsysteme zu integrieren.
Glaubenskrieg E-Fuel
Gerhard Deimek rief die vom ehemaligen Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) initiierten und von der jetzigen Regierung weitergeführten Projekte im öffentlichen Verkehr sowie im Bereich der Elektromobilität in Erinnerung, betonte aber auch, dass man zugunsten der Preisstabilität „bei den Erneuerbaren unbedingt technologieneutral bleiben“ müsse, also auch für Technologien neben dem Elektromotor offen bleiben solle. Dabei seien vor allem E-Fuels, also mittels Strom aus Wasser und CO2 hergestellte synthetische Kraftstoffe, zu nennen, die ermöglichen würden, den Verbrennungsmotor als bestehende Hardware weiter zu nutzen.
In Bezug auf alternative Treibstoffe hielt Abgeordneter Weratschnig fest, dass die Batterieelektrik bei Fahrzeugen in Bezug auf den Wirkungsgrad mittlerweile so weit sei, dass man mit 3 eingespeisten Megawatt jährlich 1.600 E-Fahrzeuge versorgen könne. E-Fuels, Wasserstoff und andere Technologien würden viel mehr in der Industrie, im Flugverkehr und viele anderen Anwendungen denn im Individualverkehr zum Einsatz kommen.
Für den ÖAMTC sei es keine gute Lösung, in Bezug auf Antriebsformen eine bestimmte Technik vorzuschreiben, entgegnete Bernhard Wiesinger. So sei man der Meinung, dass auch E-Fuels zugelassen werden sollen, um die CO2-Neutralität in der entsprechenden Zeit zu schaffen. Die Produktion von E-Fuels sei sinnvollerweise nur dort in industriellem Ausmaß umsetzbar, wo für den Betrieb von Solar- und Windkraftwerken optimale Bedingungen vorherrschen, etwa in Chile oder Island.
Unterstützungsmaßnahmen gegen hohe Kraftstoffpreise
Abgeordneter Stöger (SPÖ) rief in Erinnerung, dass die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen eher den Besserverdienenden als den PendlerInnen helfen. Der Vorschlag der SPÖ sei daher, Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe und Mineralölsteuer befristet auszusetzen, sodass der Preis an der Zapfsäule schnell sinke. Die rechtlichen Bedenken seien keine Hürde, das Problem sei vielmehr, dass die Koalition nicht wolle. Dem pflichtete auch FPÖ-Abgeordneter Deimek bei. Er befürchte aufgrund der hohen Spritpreise Verwerfungen im sozialen Bereich, sollten die Steuern nicht wie in anderen europäischen Ländern, wie Frankreich, Kroatien oder Ungarn gesenkt werden. ÖVP-Abgeordneter Schnabel entgegnete, dass die Erhöhung von Pendlerpauschale und Pendlereuro „genau der arbeitenden Bevölkerung“ zugutekomme. Auch könne man dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages entnehmen, dass eine Mehrwertsteuersenkung im Bereich der Treibstoffe nicht mit EU-Recht in Einklang zu bringen sei.
Leistbare Mobilität als Grundrecht
Mittelfristig müsse man ein Grundangebot an öffentlichem Verkehr schaffen, fasste Abgeordneter Stöger zusammen, daher habe die SPÖ einen Initiativantrag für ein Bundesverkehrszielegesetz eingebracht, in dem erstmals öffentlicher Verkehr und eine gewisse Versorgungssicherheit definiert werden sollen. NEOS-Verkehrssprecher Margreiter führte aus, er sehe leistbare Mobilität für alle und die Anforderungen aufgrund des Klimawandels als die beiden zentralen Themen des Klimawandels. Bei der Regierung konstatierte er allerdings einerseits „einen ideologiegetriebenen Umgang mit dem motorisierten Individualverkehr“ und auf der anderen Seite eine „orientierungslose ÖVP, die irgendwo an finanziellen Schrauben“ drehe. Es fehle an nachhaltig leistbaren Lösungen wie der Abschaffung der kalten Progression.
Klimakrise oder Abkehr vom aktuellen Verkehrsverhalten
Verkehrsplaner Günter Emberger von der Technischen Universität Wien hielt fest, dass es, wenn man die Klimaerwärmung nicht unter dem Wert von 2 Grad Celsius halte, bedeute, dass es weltweit vermehrt zu Starkregenereignissen, Hitzetagen und Wassermangel kommen werde. Die Folge davon sei eine Migrationsbewegung von 150 bis 280 Millionen Menschen. Es gehe also nicht um kurzfristige Lösungen, sondern man müsse langfristig aus der Autoabhängigkeit hinauskommen und das Verhalten nachhaltig ändern. So seien die im individuellen Verkehr mit PKW zurückgelegten Kilometer auf ein Vierzigstel zu reduzieren. Eine schnell wirkende Lösung, die eine 15- bis 20-prozentige Einsparung der CO2-Emmissionen bringen würde, sei laut Emberger eine deutliche Reduktion der Tempolimits. Langfristig müsse man das auf Wachstum ausgerichtete Wirtschafts- und Konsumsystem überdenken, da es global gesehen nicht mit einer gesunden Umwelt und einem lebenswerten Leben für alle vereinbar sei.
Abgeordneter Schnabel betonte in dieser Hinsicht die von der Koalition gesetzten Maßnahmen: Der gemäßigte Zugang von einem CO2-Preis mit 30 € pro Kilogramm sowie der damit einhergehende Ausbau des Angebots des öffentlichen Verkehrs seien der richtige Weg zur Dekarbonisierung. Man müsse dabei auch auf die Chancengleichheit des ländlichen Raums gegenüber dem urbanen Raum achten, betonte er in seinem Abschlussstatement.
Auf eine Stärkung und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs pochte Alois Stöger, um eine Verkehrswende zu erreichen. In der Aufklärung habe man dem Kaiser die individuelle Niederlassungs- und Reisefreiheit abgerungen, so Stöger abschließend, diese Freiheiten wolle er bewahren, und dafür bedürfe es klimaneutralen öffentlichen Verkehrs, den die Politik zur Verfügung stellen müsse.
Die Möglichkeit der Reduktion der mit dem PKW individuell zurückgelegten Kilometer auf ein Vierzigstel stellte Abgeordneter Deimek infrage, da es, wenn die Menschen ihre Arbeitsplätze aufgrund von Beschränkungen nicht erreichen können, zu Verarmung und schlussendlich zu „sozialen Verwerfungen“ kommen werde. Klimaneutralität mit der Hinwendung zu erneuerbaren Energieträgern könne geschaffen werden, es bestehe dabei aber ein zeitliches Problem, zeigte sich der FPÖ-Abgeordnete überzeugt. Es werde vernünftige, lebbare Lösungen geben müssen, da die gerade skizzierten Lösungsszenarien aufgrund der europäischen Position in der Welt nicht vorstellbar seien, wenn gleichzeitig Länder wie China das Zehnfache der in Europa eingesparten Emissionen aufbauten, wodurch ein Ungleichgewicht entstehe.
Der Verkehrssprecher der Grünen Weratschnig nannte drei zentrale Maßnahmen am Weg zur Verkehrswende: das Verlagern von Verkehr zum Beispiel auf die Schiene, das Vermeiden von Verkehr etwa durch den Einsatz von Homeoffice und das Verringern von Verkehrslast. Die Koalition setze neben großen Maßnahmen wie Rahmenplänen auch kurzfristige Maßnahmen wie das Klimaticket um. Mit Blick auf die von Professor Emberger geschilderten Entwicklungen seien jedoch noch viele weitere Schritte notwendig.
Dystopische Bilder sah hingegen NEOS-Verkehrssprecher Margreiter, wenn gesagt werde, dass es kein Grundrecht auf 20.000 mit dem PKW zurückgelegte Jahreskilometer gebe, und wenn man zum Schluss käme, dass die Demokratie nicht in der Lage wäre, die Herausforderungen des Klimawandels zu lösen. Jedoch zeigte er sich zuversichtlich, dass man in einer demokratischen Gesellschaft infolge technologischer Entwicklungen „die Mobilität den Menschen individuell überlassen“ und deren Mobilitätsbedürfnisse „in klimagerechter Weise“ werde lösen können.