Bahner im Gespräch zum Thema Nachtzug

Nov 19, 2017 | Interviews, Personenverkehr

Das Nachtzugnetz in Europa wird immer kleiner. Die ÖBB hat es mit dem Nightjet geschafft, zum größten Nachtzuganbieter Europas zu werden, und wir erleben steigende Fahrgastzahlen. Der Nightjet ist durchaus beliebt, die Meinungen in der Bahnbranche sind dennoch geteilt.
Gerade deshalb habe ich dieses Mal Unternehmen, Insider und Experten aus der Bahnbranche aber auch Mobilitätsexperten aus anderen Sparten zum ÖBB Nightjet und zum Konzept Nachtzug in einer Zukunft Bahn befragt.

Bevor wir mitten ins Thema gehen, möchte ich mich bei allen mitwirkenden Experten wie immer ganz herzlich bedanken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mich zu unterstützen und meine Fragen zu beantworten. Was für ein großartiges Zeichen der Hilfsbereitschaft! 

Und gleich noch eine Bitte in eigener Sache: Wenn euch meine Artikel hier auf dem Blog gefallen oder ihr spannende Fragen rund um das Thema Bahn und die Experten habt, dann schreibt sie mir einfach in die Kommentare, damit ich euch weiterhin interessante Beiträge und Experten auf meinem Blog näher bringen kann. Unterstützt mich, indem ihr mir auf Twitter und Instagram folgt und teilt diesen Beitrag mit euren Freunden in den sozialen Netzwerken. Vielen Dank für euren Support!

Hier ist übrigens der Link zum ersten Teil der Beitragsreihe: Bahner im Gespräch – Teil 1

So, und jetzt zur heutigen Frage an unsere Experten:

Was sind für Sie Gründe, dass sich gerade der ÖBB-Nachtzug (Nightjet) durchsetzen kann? Ist Ihres Erachtens der Nachtzug überhaupt noch ein zeitgemäßes Konzept und ein Teil von einer „Zukunft Bahn“?

Klaus Garstenauer – Leiter Nah- und Regionalverkehr ÖBB

Zitat von Klaus Garstenauer für Bahner im Gespräch Teil 2

Der Nachtzug wird immer ein Nischenprodukt sein, das unter bestimmten Rahmenbedingungen existieren kann. Im Fall Österreichs liegt das nicht zuletzt an unserer geographischen Lage, die von den europäischen Wirtschaftszentren (Norditalien, Schweiz, Ruhrgebiet, Hamburg) eine gute Nachtreise entfernt ist. Das sorgt für eine Grundauslastung, die gemeinsam mit dem Tourismus ein Nachtzugsystem darstellbar macht. Wirtschaftlich wird der Nachtzug aber immer an der Grenze von Sein und Nichtsein unterwegs sein, d. h. sehr empfindlich gegen externe Effekte wie Steigerung der Trassenentgelte und dergleichen.

Klaus Garstenauer ist auch auf Twitter!

Jetzt auch mal kritische Stimmen zum Nachtzug …

Thomas Posch – CCO Westbahn

Ich glaube, dass der ÖBB Nachtzug sich nicht ganz durchsetzt. Damals, wie ich unter anderem für den ÖBB Nachtzug zuständig war, war es kein besonders gutes Geschäft und ich kann mir nicht vorstellen, dass es jetzt um so viel besser läuft.
Außerdem sind die Kunden oft vom Nightjet durchaus enttäuscht, weil die neue Marke de facto ein Etikettenschwindel ist. Gutes Marketing und neue Folie aber alte, miefende und teilweise komfortlose Wagen.
Auf lange Frist, denke ich, hat er keine Zukunft, weil der Tagverkehr immer schneller und somit der Nachtzug uninteressant wird. Auf ausgewählten Achsen wird er vielleicht interessant bzw. wirtschaftlich bleiben.

Wenn ihr mehr von Thomas Posch auf den sozialen Medien lesen wollt, dann müsst ihr wohl eure #followerpower einsetzen und @WESTbahn1  auf Twitter beknien, ihn ab und zu direkt zu Wort kommen zu lassen ;-).

Dirk Flege – Geschäftsführer von Allianz pro Schiene

Es waren nicht die Kunden, die dem Nachtzug ferngeblieben sind. Es fehlte der politische Rückenwind und unternehmerischer Kreativgeist. Daraus lässt sich doch nur eines schließen: Die Menschen würden Nachtzug fahren, wenn es moderne und bezahlbare Nachtzugnetze gäbe. In meiner Vision vom Europa 2050 ist nachts auf den Schienen genauso viel los wie am Tag: Wir reisen, während wir schlafen und wachen jeden Morgen in einer anderen Stadt auf. Den Menschen würde das gefallen. Nur die Hoteliers hätten vielleicht was dagegen.

Folgt Dirk Flege und Allianz pro Schiene auf Twitter!

Tim Grams, „der bloggende Bahner“ – Bahnblogger und Social Media Redakteur bei DB Vertrieb GmbH

Die ÖBB hat frühzeitig in das Produkt Nachtzug investiert und ist damit heute schon sehr gut aufgestellt. Das Angebot wird generell in Österreich sehr gut angenommen. Auch nachdem man zum Fahrplanwechsel 2016/2017 in Deutschland mit dem Produkt gestartet ist, wird das Angebot, wie bereits auch zuvor bei der Deutschen Bahn gut angenommen.

Die ÖBB hat zur richtigen Zeit in das Produkt investiert und hat den Gewinn aus dem Geschäft direkt weiter für den Nachtzug eingesetzt. Für die Zukunft sehe ich in diesem Geschäft eher ein Wachstum mit Ausweitung auf andere Strecken statt Rückgang.

Besucht Tim auf seinem Blog und folgt ihm auf Twitter!

Dieses Mal auch ein Fernbusexperte, um auch andere Ansichten zur Bahn kennzulernen …

Kai Neumann – Referent Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer

Zitat von Kai Neumann für Bahner im Gespräch Teil 2

Nachtfahrten sind ausgesprochen attraktiv für Fahrgäste, sodass diese Art des Reisens auch in Zukunft nachgefragt werden wird. Die Hauptgründe sind sicherlich, dass sich Reisende eine Übernachtung am Ziel sparen, die Fahrtzeit durch Schlaf subjektiv kürzer wird und man mehr Zeit vor Ort hat. Der Knackpunkt ist dabei jedoch bei Zügen die Wirtschaftlichkeit des Betriebs. Da Billigflieger tagsüber viele Verbindungen abdecken, nutzen weniger Fahrgäste die Nacht zum Reisen, sodass das zu Problemen mit der Auslastung führt. Und hier kommt der Fernbus ins Spiel. Durch die geringere Gefäßgröße ist es viel leichter zu einer Auslastung zu kommen, die einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglicht. Das Konzept Nachtbus funktioniert und wird immer stärker nachgefragt. Allerdings haben wir noch ein Problem mit der sogenannten Liegendbeförderung, die in Bussen verboten ist. Hier sind wir in Gesprächen mit der Politik, um eine Lösung zu finden, die das Reisen mit dem Nachtbus noch attraktiver macht.

Folgt Kai Neumann auf Twitter!

Eine wahre Bahnergröße der europäischen Eisenbahn … 

Dr. Benedikt Weibel – ehemaliger Chef der SBB und Aufsichtsratsmitglied der Westbahn

Ich kann selber nicht genau sagen, ob er sich wirklich durchsetzt. Ich habe natürlich davon gehört, dass der Nightjet profitabel ist. Ich kann mir das aber nur sehr schwer vorstellen, weil der Nightjet schlicht aus der Zeit gefallen ist. Das Rollmaterial wird schlecht genutzt, es fährt nur in der Nacht und zudem ist es kein Massenverkehr. Ich habe mir von Stadler einen „Maxi-Zug“ zeichnen lassen, sprich einen Zug mit maximalen Sitzplätzen auf 400 Meter Länge. Die Zahl hat mich sehr gefreut, nämlich 1.460. Wir haben somit eine einfache Möglichkeit die Kapazität auf der Schiene zu erhöhen, aber der Nachtzug ist das Gegenteil davon. Ich selbst habe die CityNightLine gegründet, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man mit Nachtzügen Geld verdient.

Mehr über Benedikt Weibel auf seiner Homepage.

Auch der größte Nachtzuganbieter Europas hat selbst Stellung bezogen …

Bernhard Rieder – Pressesprecher ÖBB Holding

Beitragsbild Berhard Rieder - Bahner im Gespräch Teil 2

Der Nachtzug ist eine Nische. Besonders in Deutschland war der Nachtverkehr zum restlichen Verkehr sehr unbedeutend. In Österreich dagegen war der Nachtverkehr im Verhältnis immer stärker und wichtiger. Durch das Geschäft mit dem Nightjet kommen wir auf unsere Kosten und schreiben positive Zahlen, jedoch reich werden wir dadurch nicht. Warum wir das Nightjet Produkt anbieten können ist, weil wir relativ günstig produzieren können. Unser Konzept ist ja, dass wir Linien in bestimmten Bereichen bündeln und dann neu zusammenstellen. Zum Beispiel je ein Zugteil aus Düsseldorf und einer aus Hamburg werden in Nürnberg in zwei Züge zerlegt, wobei ein Zug nach Wien und einer nach Innsbruck fährt, mit jeweils einem Düsseldorfer und einem Hamburger Teil. So können wir sehr viele Verbindungen mit geringeren Kosten produzieren.
Der Einstieg in das Nachtzuggeschäft in Deutschland war ein sehr großer Schritt. Wir haben unser Netz mit der Übernahme der deutschen Linien fast verdoppelt. Einen weiteren Ausbau der Linien wird es in nächster Zeit nicht geben, da unser Rollmaterial voll ausgelastet ist. Lediglich punktuelle Veränderungen auf bereits bestehenden Linien werden vorgenommen, um eben auch das Angebot an die Nachfrage bestmöglich anzupassen. So werden wir ab dem Fahrplanwechsel im Dezember den Zug von Zürich nach Hamburg im nördlichen Abschnitt in einen direkt nach Hamburg und einen Teil direkt nach Berlin führen.

Hier könnt ihr mehr über Bernhard Rieder lesen.

Und ich darf das Schlusslicht machen …

Niki Schmölz

Zitat von Niki Schmölz für Bahner im Gespräch Teil 2

Die ÖBB kann sich mit ihrem Angebot deshalb durchsetzen, denke ich, weil sie einerseits sehr günstig produzieren können und andererseits haben wir in Österreich und in den Nachbarländern teilweise ein sehr dünnes Hochgeschwindigkeitsnetz auf der Schiene und somit nutzt man eben gerne auch den Nachtzug. Hinzu kommt, dass die ÖBB einen guten Service bieten, sehr günstige Angebote haben und auch gutes Marketing betreiben.
Meines Erachtens ist der Nachtzug ein wichtiger Bestandteil der heutigen Mobilität. Dies zeigt auch die Auslastung der Nachtzüge, die ÖBB ist laut eigenen Angaben mit der Auslastung sehr zufrieden. Natürlich wird der Tagverkehr immer schneller, nichtsdestotrotz ist er noch immer nicht schnell genug. Nehmen wir zum Beispiel die Strecke Wien – Hamburg, wo eine Direktverbindung mit dem ICE zirka neun Stunden dauert. Auch wenn in den Zügen hohe Qualität und Komfort geboten werden, braucht man doch fast einen ganzen Tag für diesen Weg. Wenn man für die Fahrt nicht so viel Zeit hat, dann ist die nächtliche Reise genau das Richtige. Und für mich ist der Nachtzug gerade im Konkurrenzkampf gegen den Flieger, und somit auch für die Verkehrswende, wichtig. Ich persönlich finde es toll, dass die ÖBB mit dem Nightjet ein Erfolgsprodukt kreiert haben und ich hoffe auf ein weiterhin wachsendes Streckennetz. Ich nutze den Nightjet sehr gerne, gerade auch in Richtung Italien, und ich finde das Angebot der ÖBB sehr gut und hoffe mit den neuen Wagen auf noch mehr Komfort und eine bessere Nachtruhe.

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Herzlichen Dank nochmal an die überaus hilfsbereiten Experten, die mich mit ihren Beiträgen als „Bahner im Gespräch“ unterstützen!

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