In Zeiten wachsender Verkehrsprobleme und Umweltbelastungen ist die Zukunft des öffentlichen Verkehrs von entscheidender Bedeutung. Im folgenden Interview mit Dirk Flege, Geschäftsführer von Allianz pro Schiene, sprechen wir unter anderem über Deutschlandticket und Infrastrukturinvestitionen als zwei Aspekte für die Zukunft der Bahn.
Was waren für Sie in den letzten Jahren spannende Entwicklungen in der Bahnbranche, und welche Trends sehen Sie für die Zukunft?
In Deutschland haben wir in den vergangenen Jahren zusammen mit dem Verkehrsministerium eine Reihe von Masterplänen und bahnpolitischen Grundsatzpapieren für den Verkehrsträger Schiene erarbeitet. Jetzt kommt die Umsetzung. Dafür werden Milliardenbeträge mobilisiert und Gesetze geändert. Die Trends der Zukunft sind Modernisierung und Digitalisierung – sowohl der Schieneninfrastruktur als auch der Fahrzeuge.
Welches Angebot gefällt Ihnen besser, DeutschlandTicket oder KlimaTicket?
Das KlimaTicket. Es ist das Vorbild für das DeutschlandTicket. Der große Vorteil: Es gilt auch in den Fernverkehrszügen.
Bleiben wir beim DeutschlandTicket: Wie sieht Ihre bisherige Bilanz aus, was läuft gut und wo liegen die Herausforderungen?
Viele Menschen in Deutschland haben durch das DeutschlandTicket das Bahnfahren für sich entdeckt. Keine komplizierten Tarife, günstiger Preis, einfach einsteigen in Bus oder Nahverkehrsbahn. Die bisherige Bilanz ist positiv. Je mehr Menschen mit Bus und Bahn fahren, desto größer wird der Druck auf die Politik, das Angebot auszubauen und zu verbessern. Letzteres steht noch aus. Die Finanzierung der Angebotsausweitung und -verbesserung, das ist die große Herausforderung mit Blick nach vorn.
Würden Sie sich ein DeutschlandTicket wünschen, wo der Fernverkehr auch inkludiert ist?
Ja, mittelfristig. In Deutschland müssen wir erst einmal das DeutschlandTicket strategisch absichern, eine Fernverkehrsdebatte zum jetzigen Zeitpunkt wäre schädlich.
Wenn wir von der Verkehrs- und Mobilitätswende sprechen: Inwiefern und in welchem Ausmaß können günstige Tickets oder auch kostenloser ÖPNV positiv dazu beitragen?
Es müssen für eine Verkehrs- und Mobilitätswende mehrere Dinge zusammenkommen: Eine verkehrsträgerübergreifende Politik, die Bus, Bahn, Fahrrad und Fußverkehr stärkt; eine Infrastrukturpolitik, die dem Umweltverbund Platz zum Wachsen gibt, ein attraktives Angebot an Verkehrsdienstleistungen sowie ein einfacher und für alle Menschen bezahlbarer Zugang zu diesen Verkehrsdienstleistungen. Kostenlosen ÖPNV sollte es wenn, dann für einzelne Gruppen geben, aber nicht für alle.
Der Fachkräftemangel und Generationenwechsel in der Belegschaft beschäftigen die Bahnen in Österreich und Deutschland massiv: Was wäre Ihre Strategie um ausreichend Personal für die Zukunft aufzustellen? Wie unterstützt die Allianz pro Schiene hier die Branche?
Wir als Allianz pro Schiene haben uns des Themas schon früh angenommen. Vor zehn Jahren sind wir mit der Brancheninitiative SchienenJobs.de an den Start gegangen, mit der die Firmen auf Fachkräftesuche gehen. Darüber hinaus haben wir weitere Initiativen auf den Weg gebracht: Den jährlichen Wettbewerb „Eisenbahner mit Herz“, wir haben „Berufsbotschafter“ ernannt und arbeiten mit „Trainfluencern“ – auch aus Österreich.
Zum Abschluss: Was wäre Ihr größter Wunsch an die Bahnpolitik in Deutschland?
Die Schaffung von zwei Finanzierungsfonds nach Schweizer Vorbild. Wir brauchen endlich mehrjährige Verlässlichkeit bei der Finanzierung von Schieneninfrastruktur – so wie es die Beschleunigungskommission Schiene in Deutschland empfohlen hat. Sonst kann auch die gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte, die zum 1. Januar 2024 unter dem Dach der DB AG entstehen soll, nicht richtig arbeiten.