In einem exklusiven Gespräch mit der österreichischen Verkehrsministerin, Leonore Gewessler, werfen wir einen Blick auf die Erfolge und Herausforderungen im Verkehrssektor. Investitionen in die Infrastruktur, Multimodalität und die zukünftige Rolle der Bahn als Rückgrat des österreichischen Verkehrssystems stehen dabei im Mittelpunkt.
Österreich ist Bahnland! Wir genießen international einen sehr guten Ruf. Wie konnten wir dorthin kommen, wo sehen Sie in der österreichischen Bahn- und Infrastrukturpolitik der letzten Jahrzehnte die Stärken?
Wir sehen, die Menschen in Österreich sind bereit auf Öffis umzusteigen, wenn diese einfach, bequem und günstig sind. Dazu gehört eine leistungsfähige Bahninfrastruktur, ein attraktives Fahrplanangebot und natürlich das Klimaticket. Das trägt alles dazu bei, dass Bahnfahren immer beliebter wird.
Die Mitarbeiter:innen der ÖBB leisten wirklich tagtäglich großartiges und die Prozesse sind gut eingespielt. Wir haben in Österreich ein Finanzierungssystem, das es der ÖBB-Infrastruktur AG, aber auch den Verkehrsunternehmen, erlaubt langfristig zu planen. Und unser Finanzierungsinstrument – der ÖBB-Rahmenplan – ist mittlerweile zu einem internationalen Best-Practise-Beispiel geworden. Es erreichen uns immer mehr Anfragen unterschiedlicher europäischer Staaten, die gerne von unserem System lernen möchten.
Nachfrage: Wie bleiben wir weiterhin auf diesem Erfolgskurs? Wo braucht es vielleicht noch mehr?
Österreich ist als kleines Binnenland im Herzen Europas natürlich auch stark von den Nachbarstaaten abhängig, da ein Großteil des Schienengüterverkehrs und auch ein Gutteil des Fernverkehrs grenzüberschreitend ist. Gerade im grenzüberschreitenden Verkehr gibt es noch viel zu tun – insbesondere auf europäischer Ebene. So müssen etwa die unterschiedlichen Betriebsvorschriften und Wartezeiten insbesondere für Güterzüge an den Grenzen harmonisiert, und technische Barrieren abgebaut werden. Das sind ambitionierte Aufgaben und Österreich ist deshalb auf Europäischer Ebene sehr aktiv und kooperiert mit den Nachbarstaaten.
Was ist Ihre größte Sorge, wenn Sie über Verkehr und Mobilität in Österreich nachdenken?
Einfache und günstige Mobilitätsmöglichkeiten bedeuten mehr Lebensqualität für die Menschen. Gleichzeitig ist die Bekämpfung der Klimakrise im Verkehrssektor besonders herausfordernd. Die Österreicher:innen wollen gut mobil sein und es ist meine Aufgabe als Politikerin dafür zu sorgen, dass die klimafreundliche Option auch die einfachste, bequemste und im Idealfall günstigste ist. Aber natürlich wird der Zug nicht immer direkt vor der Haustüre stehen bleiben. Es muss uns also gelingen, den öffentlichen Verkehr so attraktiv zu gestalten, dass es ganz normal wird beispielsweise mit dem Auto oder mit dem Rad zum Bahnhof zu fahren und dort in den Zug umzusteigen. Deshalb arbeiten wir konsequent daran, damit wir zu einem guten öffentlichen Angebot mit Taktfahrplan und entsprechender Infrastruktur kommen. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass sie in die Arbeit und am Abend auch wieder zurück kommen. Und sie müssen die Information über die für sie beste Wegoption auch einfach zugänglich haben – da können digitale Angebote helfen. Das Mobilität ganz selbstverständlich multimodal, flexibel und vernetzt wird ist ohne Zweifel eine große Aufgabe.“
Stichwort Multimodalität: Wo sehen Sie die Stärken einzelner Verkehrsträger (Straße, Schiene & Aktive Mobilität) und wie kann man die Vorteile am besten kombinieren?
Die Menschen in Österreich wollen klimafreundlich unterwegs sein. Der Ausbau des gesamten öffentlichen Verkehrs ist sehr wichtig, denn ich kann nur auf Öffis umsteigen, wenn es welche gibt. Das Ziel ist, unabhängiger vom Besitz eines eigenen PKW zu werden. Aber nicht alle Regionen können sinnvoll mit einem klassischen öffentlichen Verkehrsangebot abgedeckt werden. Deshalb setzen wir auf neue Technologien und Konzepte wie Mikro-ÖV-Systeme – wie Anruf-Sammeltaxis, Gemeindebusse, Rufbusse – oder Sharing-Strategien.
Das Klimaticket feiert demnächst den zweiten Geburtstag: Wie blicken Sie auf die letzten beiden Jahre zurück? Sind Sie mit den Entwicklungen rund um das Klimaticket zufrieden?
Ich freue mich sehr wie gut das Klimaticket angenommen wird. 250.000 Menschen sind damit bereits unterwegs. Und was mich besonders freut: 40 Prozent der Klimaticket Besitzer:innen, die grundsätzlich auch das Auto nutzen, geben an, bereits nach einem Jahr ihr Mobilitätsverhalten vom Auto hin zum Öffentlichen Verkehr verlagert zu haben. Wenn man alle Klimaticketvarianten zusammenzählt – also regional und österreichweit – dann hatten Ende vergangenen Jahres bereits rund 15 Prozent aller Menschen in Österreich eine Jahresnetzkarte für den Öffentlichen Verkehr. Das sind beeindruckende Zahlen. Ich freue mich sehr bald zwei Jahre Klimaticket feiern zu können.
Was ist Ihre persönliche Version von der Mobilität im Jahr 2050, und wird die Bahn ein Teil davon sein?
Wir brauchen klimafreundliche Lösungen für eine gute Zukunft. Wir brauchen klimafitte Mobilitätslösungen wie den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und das Klimaticket. Wir brauchen Verkehrslösungen, die den Menschen und der Natur Platz geben und die uns in Richtung einer klimafreundlichen Zukunft führen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bahn im Jahr 2050 eine Schlüsselrolle in einer nachhaltigen Mobilitätslandschaft spielen wird.
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Was haben Sie immer dabei, wenn Sie mit dem Zug unterwegs sind?
Natürlich das Klimaticket!