Bahner im Gespräch: CEO Westbahn

Nov 6, 2019 | Interviews, Personenverkehr

Bei der diesjährigen Auflage meiner Beitragsreihe „Bahner im Gespräch“ werden führende Entscheidungsträger, ExpertInnen und InsiderInnen zu verschiedenen Themen rund um Digitalisierung, autonomes Fahren, Wettbewerb auf der Schiene und Fitnessstudios im Zug befragt.
Heute darf ich Euch das Interview mit dem CEO der Westbahn, Dr. Erich Forster, präsentieren.


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Ich freu mich sehr, dass sich der CEO der Westbahn, Dr. Erich Forster, die Zeit für das Interview genommen hat und ich möchte mich dafür nochmals sehr herzlich bedanken!

Wenn Autos, Busse und LKWs auch autonom unterwegs sind und somit deutlich bessere Leistungen bringen können, was ist dann der Platz der Bahn in der Mobilität?

Nun, ich nehme an, dass es noch eine Weile dauern wird, bis so ein Szenario Wirklichkeit wird. Auch dann werden es über längere Zeit die first mover bleiben, die sich im autonomen motorisierten Individualverkehr bewegen. Die Bahn wird sich noch länger behaupten können, ist meine These. Erstens sind wir ein sehr vertrautes und effektives Verkehrsmittel. Zweitens sind wir die Mobilität der Wahl, wenn es um klimaschonendes Fahren geht. Und drittens spricht die Flexibilität für uns: Sie können lesen, schlafen, arbeiten, eine Kleinigkeit essen, Mitreisende kennenlernen, sich bei Bedarf auch die Beine ein wenig vertreten.

Wie sieht für Sie die Bahn der Zukunft aus? Hyperloop oder doch die klassische Schiene?

Zumindest mittelfristig sehe ich weiterhin die klassische Schiene. Bei allem Respekt für neue Technologie: Die Infrastruktur für ein durchgängiges Hyperloop-Netz zu schaffen, das ist zeit- und investitionsintensiv. Auch der Hyperloop wird einem Vorgaben- und Regelwerk entsprechen müssen. Das setzt man nicht alles in ein paar Jahren um, auch nicht in zwei Jahrzehnten.

Die Deutsche Bahn hat vor 2 Jahren den Ideenzug präsentiert: Sind Fitnessgeräte, ein Public Viewing Bereich und Einzelkabinen Teil eines modernen Zuges?

Davon darf man träumen, Umsetzungen im großen Stil werden kaum möglich sein. Wenn man bedenkt, wie aufwändig und teuer Züge sind, wie viele Punkte im Rahmen der Zulassung beachtet werden müssen, dann wird so etwas nicht so leicht zum „Standard“. Außerdem: Für jedes „Extra“ gehen Flächen für Sitzplätze verloren. Solche Überlegungen kann sich also nur eine Staatsbahn leisten, die ihre Verkehre subventioniert bekommt. Jedes wirtschaftlich denkende Unternehmen wird regulären Platzkapazitäten den Vorrang geben.

Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um die Eisenbahn fit für die Zukunft zu machen und wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Verkehrsträger Schiene?

Die Infrastruktur muss rasch weiter ausgebaut und mit einem in die Zukunft weisenden Stand der Technik ausgestattet werden. ETCS muss als Standard schneller durchgehend umgesetzt werden. Man kann nicht wahllos neu bauen, aber man muss die bestehenden Strecken einer erhöhten Nachfrage anpassen. Und dann muss natürlich der Wettbewerb weiter gefördert werden – in allen Ländern und in allen Bereichen.

Wie glauben Sie, dass die Bahn Teil eines modernen Lebensstils werden kann?

Wir sind schon mitten drin. Die Bahn ist verlässlich, vieles funktioniert richtig gut, sie ist als Verkehrsmittel nicht besonders teuer und sie hat eine hohe Akzeptanz. Wir müssen also als Branche nur mehr an ein paar kleineren Stellschrauben drehen, um ihr Image ein bisschen jünger und dynamischer zu machen.

Vor dem Hintergrund von Automatisierung, Digitalisierung und IoT: Wie sehen bei der Bahn die Jobs der Zukunft aus?

Beim Vertrieb, beim Marketing, bei Sicherheits- und Kontrollsystemen und in vielen anderen Bereichen der Bahn gibt es zweifellos zahlreiche Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Hier werden vernetztes Denken, Innovationen und technologische Möglichkeiten die Jobmöglichkeiten unendlich bereichern. Bei den „zentralen“ Anforderungen der Eisenbahn, einen Zug pünktlich, sicher und für die Reisenden angenehm von A nach B zu steuern, sehe ich auch weiterhin traditionell überlieferte Arbeitsfelder – wenngleich sie natürlich modern interpretiert werden müssen.

Wo sehen Sie Chancen und Herausforderungen bei freiem Wettbewerb auf der Schiene?

Für mich überwiegen beim Thema Wettbewerb ganz klar die Chancen – und zwar vor allem für die Reisenden und die Umwelt. Es ist immer so, dass im Wettbewerb manchmal ein Unternehmen und manchmal ein anderes „vorne“ ist – das führt dazu, dass man sich einfach wieder mehr anstrengen muss und das bringt erfahrungsgemäß eine Branche insgesamt voran. Mit unseren WESTbahn-KISS in Alubauweise haben wir beispielsweise ein deutlich energieeffizienteres Fahrzeug als es vergleichsweise der aus Stahl gefertigte Railjet ist. Damit können wir Reisenden, die auf solche Aspekte Wert legen, ein besonders gutes Angebot (auch abseits des Preises) liefern. Das attraktiviert nicht zuletzt aber den ganzen Schienenverkehr als Mobilitätsform an sich.
Für freien Wettbewerb müssen aber die Rahmenbedingungen passen – und davon sind wir, zumindest in Österreich, noch sehr weit entfernt. 

Wie sehen Sie die Preisgestaltung im öffentlichen Verkehr? Ist billiger besser oder müsste er überhaupt gratis sein?

Kostenloser Verkehr ist ein nicht umsetzbares Wunschdenken. Alle, die (vor allem vor Wahlen) so etwas fordern, wissen nicht, wie komplex und kostenintensiv er ist. „Gratisverkehr“ und ein qualitätvolles Angebot schließen sich schlichtweg aus. Dann lieber ein sehr gutes Angebot zu einem attraktiven Preis – so wie bei der WESTbahn.

In 2 Wochen geht´s weiter mit Markus Ossberger, dem Head of Division Infrastructure bei den Wiener Linien.

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