Meine Führerstandsmitfahrt bei der Westbahn

Feb 1, 2018 | Personenverkehr

Ende Dezember hatte ich die Gelegenheit, bei einem Zug der Westbahn, auf der Linie Westblue zwischen Wien Praterstern und Linz Hauptbahnhof, im Führerstand mitzufahren. Ich habe euch hier einige Infos über den Zug, die Strecke und meine Eindrücke zusammengefasst.

Am 28. Dezember machte ich mich nachmittags auf dem Weg zum Bahnhof Wien Praterstern. Nachdem die Westbahn in Richtung Salzburg auf Gleis 4 bereitgestellt war, habe ich mich bei den Lokführern gemeldet. Während meiner Mitfahrt waren aus Sicherheitsgründen Christian, der Lokführer, und Michael, der Lehrlokführer, im Führerstand, um eine eventuelle Irritation des Triebfahrzeugführers mittels Vier-Augen-Prinzip abzufangen.fuehrerstandsmitfahrt_westbahn

Wir sind natürlich absolut pünktlich abgefahren und über die Stammstrecke mit Halten in Wien Mitte, Rennweg, Quartier Belvedere, Hauptbahnhof Wien – wo die Westbahn ebenfalls unterirdisch hält – bis zum Bahnhof Wien Meidling gefahren.
Ich muss sagen, die Westbahn ist in den Regional- und Schnellbahnverkehr auf der Stammstrecke gut integriert. Befürchtungen, dass ein Fernverkehrszug hier nicht reinpassen würde, haben sich für mich nicht bewahrheitet. Die Westbahn hat große Türen, die Abfertigung erfolgt alleine durch den Lokführer und nicht durch Zugbegleiter, was natürlich auch wieder wertvolle Zeit spart und somit kommt es zu kurzen Abfertigungszeiten. Zudem kann die Garnitur der Westbahn sehr schnell beschleunigen und bremsen.

Die Lokführer haben mir dies auch bestätigt und meinten, es gäbe eigentlich nicht wirklich Probleme. Meist wäre es ohnehin so, dass die Westbahn hinter der langsameren Schnellbahn nachfährt oder eben warten muss.
Ich finde es sogar großartig, dass die Westbahn die Stammstrecke befährt, weil somit endlich auch der dritt (Wien Mitte)- und viertgrößte (Wien Praterstern) Bahnhof Österreichs an den Fernverkehr in Richtung Linz und Salzburg angeschlossen sind. Auch touristische Ziele, wie der Wiener Prater, sind so direkt an große Teile Österreichs angeschlossen. In meinen Augen ergeben sich Vorteile für Pendler, Touristen und auch Gelegenheitsfahrer.
niki_praterstern

In Richtung Salzburg fährt man unmittelbar nach dem Bahnhof Meidling in den Lainzer Tunnel ein. Ab hier fahren die Züge mit ETCS Level 2 (European Train Control System). Das heißt, man könnte ohne Signale fahren, weil an einem Display im Zug angezeigt wird, in welcher Entfernung zum Beispiel ein Halt-Signal steht. Aber auch die erlaubte Geschwindigkeit wird im Führerstand angezeigt. ETCS ist vergleichbar mit der Linienzugbeeinflussung (LZB), die ab Sankt Pölten in Richtung Salzburg übernimmt.
Im Lainzer Tunnel wurde der Zug dann das erste Mal auf 160 km/h beschleunigt. Ein absolut cooles Erlebnis, so hohe Geschwindigkeiten in der ersten Reihe zu sehen – am Anfang natürlich sehr ungewohnt.
In Hadersdorf mündet der Lainzer Tunnel in einer unterirdischen Weichenhalle in den Wienerwaldtunnel. Hier kann dann auf Höchstgeschwindigkeit der Westbahn-Garnitur KISS 2, sprich auf 200 km/h, beschleunigt werden. Um den Fahrplan einhalten zu können, muss die Westbahn aber nur 180 km/h fahren. Im Verspätungsfall ist es natürlich hilfreich, auch etwas Zeit aufholen zu können.
In einem Abschnitt sind wir auch einmal volle Geschwindigkeit gefahren. Ein wirklich beeindruckendes Erlebnis.
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Wie bereits oben erwähnt, fuhren wir mit einer neuen KISS 2 der Firma Stadler Rail. Dieser Zug ist ein Triebzug und hat somit eine sehr gute Agilität. Da mehrere Achsen angetrieben sind und keine Lok zieht oder schiebt, kann man schneller beschleunigen und natürlich ist auch der Bremsweg kürzer. Die Garnituren der Westbahn sind deshalb auch sehr interessant, weil sie auf ihren 2 Stockwerken Platz für 326 Personen bieten und dies in der 4-teiligen Konfiguration auf nur 100 Metern. Im Vergleich bietet der Railjet auf 205 Metern inklusive Lok Platz für 408 Personen.
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Und aufgrund der großen Türen können Fahrgäste sehr schnell ein und aussteigen. In der Tür haben 2 Personen gleichzeitig Platz.
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Für mich eine besondere Freude, mit einem der neuesten Züge auf Europas Schienen unterwegs zu sein.

Der KISS 2 hat Rekuperationsbremsen. Hier wird die Energie, die beim Bremsen entsteht, in Form von Strom wieder ins Netz eingespeist. Aufgrund der geringen Geschwindigkeiten auf der Stammstrecke, kann man hier bei fast jedem Bremsvorgang Energie einspeisen, weil man keine andere Bremse benötigt. Bei höheren Geschwindigkeiten braucht man für den Bremsvorgang auch eine Druckluftbremse.
Auf der Strecke Wien Praterstern – Salzburg Hbf hat die Westbahn übrigens einen Nettostromverbrauch von ungefähr 3000 kwh und hunderte Kilowattstunden werden eingespeist.

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Die Fahrt verlief nach Plan und wir waren durchgehend pünktlich. In Linz kamen wir sogar 2 Minuten früher an 😉
Alles in allem war das ein spannendes Erlebnis. Ich konnte die Bahn buchstäblich aus einer anderen Sicht kennenlernen und es hat richtig Spaß gemacht. Die Westbahn konnte mir hier wirklich einen Kindheitstraum erfüllen.
Auch die beiden Lokführer, Michael und Christian, waren überaus freundlich und haben sehr viel über ihre Arbeit erzählt und mir einen tollen Einblick in die Arbeit der Lokführer vermittelt.
Ich möchte mich deshalb bei der Westbahn, aber speziell bei Ines Volpert, die die Mitfahrt organisiert hat, und bei den beiden Lokführern ganz herzlich bedanken!

Wenn ihr Fragen habt oder ihr auch schon mal im Führerstand mitgefahren seid, dann schreibt mir einfach in den Kommentare!

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