Regierungsprogramm 2017-2022 zu Eisenbahn und öffentlicher Verkehr

Jan 28, 2018 | Infrastruktur, Innovation, Personenverkehr

Am 18. Dezember wurde die neue ÖVP-FPÖ-Regierung angelobt. Seit einigen Tagen und Wochen nimmt die Regierungsarbeit nun voll Fahrt auf. Ich habe mich mit dem Regierungsprogramm zum Thema Verkehr und Mobilität, speziell natürlich zum Thema Eisenbahn, beschäftigt und mir die ersten Interviews mit unserem neuen Verkehrsminister Norbert Hofer angesehen. Hier möchte ich die wichtigsten Punkte zusammenfassen und zu ihnen Stellung beziehen.

Verkehrsträger Schiene

Gleich zu Beginn wird geschrieben, dass sich das System Schiene in Österreich seit über 175 Jahren zum Rückgrat des öffentlichen Personenverkehrs und zu einem unverzichtbaren Partner im Güterverkehr entwickelt hat. Man will positive Effekte stärken, zum Beispiel Effizienzsteigerungspotenziale nutzen und mehr Dienstleistungsangebot für Kunden schaffen. Außerdem geht es darum, privaten Eisenbahnunternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz zu bieten. [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf zugegriffen am 4.01.2017 [/note]
Dies sind die wesentlichen Maßnahmen, die dazu im Regierungsprogramm stehen:EU_Gelder

  1. Man will EU-Gelder für den Ausbau von TEN-Achsen und die Aufnahme neuer Verbindungen lukrieren. Zudem geht es darum, mit Nachbarstaaten besser zusammenzuarbeiten und auch Zulaufstrecken mit Nachdruck einzufordern. [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 150, zugegriffen am 4.01.2017 [/note]
  2. Weiterentwicklung des Zielnetzes 2025+ und die Installation eines österreichweiten integrierten Taktfahrplans. [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 150, zugegriffen am 4.01.2017 [/note]bild_vergabeverfahren
  3. Vorbereitung auf den Wettbewerb bei überregionalen Schienenverbindungen: Entwicklung eines Maßnahmenplanes zur schrittweisen Einführung wettbewerblicher Vergabeverfahren für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen unter Berücksichtigung der optionalen Möglichkeit für Direktvergaben bei der Erbringung von regionalen und kommunalen Verkehrsdienstleistungen. [note] https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 150, zugegriffen am 4.01.2017 [/note]
    Im Klartext also: freier Wettbewerb im Fernverkehr; im Nah- und Regionalverkehr will man vorerst die Option für weitere Direktvergaben offen halten.
    Verkehrsminister Hofer sagt dazu im Standardinterview: „Alles, was wir machen, wird sehr maßvoll gemacht … wir werden schon ein bisschen mehr Markt zulassen. Aber alles in Ruhe, eines nach dem anderen.“ [note] https://derstandard.at/2000070921190/Verkehrminister-Hofer-Wir-werden-nichts-tun-das-die-OeBB-gefaehrdet zugegriffen am 4.01.2017 [/note]
  4. Infrastrukturprojekte effizienter und budgetschonender umsetzen. Es geht darum, die Kosten-Nutzen-Relation bei Bauvorhaben besser zu gestalten, um Schulden der ÖBB so gering wie möglich bzw. einen Anstieg so gering wie möglich zu halten. [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 151, zugegriffen am 4.01.2017 [/note]
    Im Rahmen eines „Spending Review“-Prozesses wird das Finanzierungsmodell der ÖBB Infrastruktur AG (Annuitätenmodell, Governance) evaluiert und weiterentwickelt und gegebenenfalls das Investitionsvolumen (2020: 2,8 Mrd. Euro) optimiert. [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 151, zugegriffen am 4.01.2017 [/note] „Optimieren“ ist für mich hier eine ziemlich offene Formulierung und kann von Kürzung bis Aufstockung oder anderen Einsatz von Mitteln alles bedeuten.zukunftsfaehigkeit_oebb
  5. Zukunftsfähigkeit und Produktivität der ÖBB sichern. Das Hauptaugenmerk liegt hier an der bevorstehenden Pensionierungswelle: effiziente Personalstrukturen und zukunftsfähige Berufsbilder schaffen. Auch die Mitarbeiter selbst sollen flexibilisiert werden, von der Ausbildung bis hin zu Arbeitszeitmodellen. Gerade die Ausbildung und innerbetriebliche Arbeitsplatzwechsel in der ÖBB will man attraktiveren, um Karrierewege zu ermöglichen.
    Als wesentlich sieht man den Know-how-Transfer im Bahnsektor zwischen der heimischen Bahnindustrie und den ÖBB als Leitbetrieb in Österreich an. [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 151, zugegriffen am 4.01.2017 [/note]

Öffentlicher Verkehr (ÖV)starker_oev

Im Programm heißt es zum öffentlichen Verkehr :
Ein starkes öffentliches Verkehrsangebot stellt eine zukunftsorientierte, ökologische und sozial verträgliche Art der Mobilität für die Österreicherinnen und Österreicher dar. Wir bekennen uns zu einem starken und funktionierenden öffentlichen Verkehr in Österreich. Das Ziel ist es hier, ganzheitliche, ökoeffiziente und multimodale Mobilitätskonzepte zu etablieren, die über ein möglichst einheitliches, transparentes Tarifsystem ein attraktives Angebot an individuellen Gesamtlösungen ergeben. [note] https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 152, zugegriffen am 4.01.2017 [/note]

    • Die Erhaltung und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs  in Ballungszentren und im ländlichen Raum: Neben dem integrierten Taktfahrplan will man eine Harmonisierung des Tarif,- Vertriebs- und Automatensystems und eine moderne und öffentliche Plattform zur Planung von Mobilität schaffen.
    • Auch der Netzausbau bei den ÖBB und bei Privatbahnen für kürzere Reisezeiten ist als Punkt angeführt. Dazu ist die Schaffung eines Sondertopfes zur Attraktivierung von eben Nebenbahnen für die Rahmenplanperiode 2018-2023  geplant. Ein klares Bekenntnis zum schienengebundenen Verkehr und Ausbau des Schienenpersonenverkehres in urbanen Zentren.
    • Im regionalen und überregionalen Busverkehr will man Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip. Auch die Entwicklung von neuen Betreibermodellen im ÖV  ist angeführt [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 152/153, zugegriffen am 4.01.2017 [/note] – man wird aber im Programm nicht konkreter.

Logistik und Güterverkehr

Österreich als Logistikhub, Anschluss an die Breitspur und Beteiligung am Seidenstraßenprojekt, um Transportwege in den Osten, nach Russland und Asien, zu verbessern und Wertschöpfungen nicht an Österreich vorbeilaufen zu lassen.
Generell will man den Zuwachs im Güterverkehr auf Schiene und Wasser verlagern. Auch Güterumschlagszentren im Osten Österreichs sind geplant, gerade auch im Hinblick auf die „Neue Seidenstraße“ bzw. die Breitspur. [note] Vgl.: https://www.oevp.at/download/Regierungsprogramm.pdf Seite 154/155, zugegriffen am 4.01.2017 [/note]

Mein Fazitniki_maßnahmen

Meiner Meinung nach sind die meisten Maßnahmen, die hier im Programm zum Thema Eisenbahn und ÖV stehen, durchaus gut. Ob es nun neue Ideen sind oder diese schon länger existieren ist mir nicht so wichtig. Mir liegt am Herzen, dass es wirklich zu einer Umsetzung kommt.
Besonders gefällt mir die Vereinheitlichung von Tarifsystemen und Vertrieb, da beim Erwerb von Tickets Barrieren wegfallen.
Natürlich auch der Ausbau von Schieneninfrastruktur von der Nebenbahn bis zum TEN-Korridor, und der Anschluss an die Seidenstraße bzw. die Breitspur finde ich großartig. Gerade Ostösterreich als zentraler Standort von Central and Eastern Europe (CEE) hat hier im Güterverkehr die Rolle eines zentralen Umschlagsortes und Transitlandes.
Das sind Maßnahmen, die positiv zu einer Verkehrswende auf die Schiene beitragen und für eine Zukunft Bahn in Österreich aber auch in ganz Europa wichtig sind. Das heißt, nicht nur eine Attraktivierung der Bahn ist wichtig, sondern auch das Schaffen von Kapazitäten.
Laut der Verkehrsprognose des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr und Innovation (Bmvit) wird das Transportaufkommen (Tonnen pro Jahr) auf der Schiene deutlich ansteigen:
2020: 130,36 Millionen Tonnen
2025: 142,33 Millionen Tonnen, sogar bis zu 186,4 Millionen Tonnen pro Jahr.
Im Vergleich dazu: im Jahr 2002 hatten wir ein Verkehrsaufkommen von 77,64 Millionen Tonnen pro Jahr. [note] Vgl.: https://www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtverkehr/verkehrsprognose_2025/download/vpoe25_kap5.pdf [/note]
Auch im Personenverkehr sind Maßnahmen gefragt: Zusätzliche Kapazitäten im Netz, moderne Bahnhöfe und Stationen, Taktfahrplan, Zuverlässigkeit und Fahrzeitverkürzungen machen die Bahn auch im Kampf gegen den Flieger und das Auto konkurrenzfähiger und bringen deutlich mehr Leute auf die Schiene.
In Deutschland, zum Beispiel, nach Inbetriebnahme von VDE8, der Neubaustrecke zwischen München und Berlin, haben im ersten Monat 2,4-mal so viele Menschen die Bahn zwischen Berlin und München genutzt wie im Monat zuvor. [note] Vgl.: http://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/16672526/p20180109.html?start=0&itemsPerPage=10 [/note]

Gerade in Sachen Marktliberalisierung freue ich mich sehr, dass hier der Verkehrsminister aber auch die ganze Regierung behutsam an die Sache herangehen wollen. In meinen Augen kann es einen freien Wettbewerb nur unter guter Kontrolle durch den Staat und seine Behörden geben. Es darf das Mobilitätsangebot, der Taktfahrplan oder die Qualität und Sicherheit im öffentlichen Verkehr nicht darunter leiden. Deshalb sehe ich es nach wie vor etwas kritisch, vor allem weil man auch noch nicht sicher weiß, wie an die Sache schlussendlich herangegangen wird.
Was mich im Regierungsprogramm stört sind diese offenen Formulierungen, wie schon oben bei einem wörtlichen Zitat erwähnt. Man will sich wahrscheinlich einige Dinge offen halten.
Im Absatz für Straßenverkehr wird auch die Evaluierung eines Nacht-60ers für LKWs besprochen. Für eine Verkehrswende auf die Schiene und ein besseres Klima eine gute Maßnahme. Aufgrund von Bedenken in Sachen Verkehrssicherheit wird dieser Punkt bereits im Programm sehr kritisch beurteilt.

Ich freue mich, dass die Schiene hier im Programm einen durchaus wichtigen Stellenwert hat. Die Schiene spielt für die Mobilität in Österreich eine enorm wichtige Rolle.
3 Millionen Fahrgäste verlassen sich jeden Tag auf den Verkehrsträger Schiene.
Aber nicht nur die Kunden profitieren von einer starken Bahn, auch 54.000 Arbeitnehmer bei den ÖBB und bei anderen über 40 Eisenbahnverkehrsunternehmen in Österreich können sich über sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze freuen. Die Bahn bringt auch Wertschöpfung: Von 2014 bis 2019 bringt die Bahn in Österreich, als Auftraggeber, Innovationsmotor und Arbeitgeber, zirka 11 Milliarden Euro direkte und indirekte Wertschöpfung. Bahninvestitionen schaffen zudem pro Jahr Arbeitsplätze für 24.000 Menschen. [note] Vgl.: https://konzern.oebb.at/file_source/corporate/presse-site/Downloads/Publikationen/OEBB_in_Zahlen_2016.pdf [/note]

Was mir im Programm fehlt sind Investitionen in Digitalisierung, mehr Geld für Mobilfunkempfang und WLAN in Zügen. Mir ist klar, dass einiges im Laufen ist, aber ich möchte, dass man hier aktiv weiterarbeitet und vor allem schneller daran arbeitet. Zu diesem Thema findet man jedenfalls nichts im Programm, aber Digitalisierung ist mitunter entscheidend für eine Zukunft Bahn.

Was ist eure Meinung zu den Plänen von der neuen Regierung? Schriebt mir in den Kommentaren!

 

Ich habe übrigens zu dem Thema Eisenbahn und öffentlicher Verkehr nicht alle Maßnahmen bzw. Unterpunkte angeführt. Hier geht’s zum vollständigen Regierungsprogramm.

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