Bahner im Gespräch zum Thema Subventionen

Feb 4, 2018 | Interviews, Personenverkehr

Die europäische Union ist eine Vereinigung von 28 Staaten und einer der größten Binnenmärkte der Welt. Ein großes Ziel der EU ist die Vollendung des Binnenmarktes. Dazu gehört auch die verkehrliche Verknüpfung aller Regionen und Staaten. Die EU selbst bekennt sich immer wieder zur Bahn im Personen- und Güterverkehr, doch wird auch genug in den Verkehrsträger Schiene investiert und subventioniert? Und wo sind Gelder deplatziert oder dringend notwendig?

Sind Sie der Meinung, dass die Schiene in der EU von der Gemeinschaft und den einzelnen Staaten ausreichend gefördert wird?
Wo haben Sie das Gefühl, dass Subventionen fehlen oder deplatziert sind?

Klaus Garstenauer – Leiter Nah- und Regionalverkehr ÖBB
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Ich bin seit meinem vierten Lebensjahr leidenschaftlicher Bahnfahrer und tue mir ein bisschen schwer, für mein Vergnügen Subventionen zu fordern. Der Einsatz von Steuergeldern erfordert immer einen gesellschaftlichen Konsens. Umso wichtiger ist es daher, dass Bahnfahren zum Life-Style-Kanon einer Gesellschaft gehört. Wenn das der Fall ist, werden Nutzerbeiträge (Tariferlöse) und Besteller-Entgelte aufgebracht werden. Wenn nicht, nimmt die Abwärtsspirale ihren gnadenlosen Lauf, Beispiele dafür finden sich auf beiden Enden dieses Spektrums. Interessant und überraschend aus der Sicht vergangener Jahrzehnte ist ja, dass wohlhabende Gesellschaften tendenziell mehr Mittel für das Bahn- und öV-System aufbringen. Ein Manko aus europäischer Sicht sind natürlich die nationalen Systemunterschiede, die führen zu einer mangelnden Gesamteffizienz oder umgekehrt gesagt, würden die schwächsten Glieder in der Kette der europäischen Bahnsysteme gestärkt, würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit allen Teilen zu Gute kommen.

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Tim Grams „der bloggende Bahner“ – Bahnblogger und Social Media Redakteur bei DB Vertrieb GmbH
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Wenn man sieht wie viel auf der Straße gemacht wird und gleichzeitig von „grüner Mobilität“ und Elektromobilität gesprochen wird, fehlt für mich der Einbezug der Schiene. Auf der Schiene hätte man heute schon deutlich mehr Chancen eine umweltfreundliche Mobilität der Zukunft zu gestalten. Dafür braucht es mehr als nur die aktuellen Investitionen und Subventionen.

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Dirk Flege – CEO Allianz pro Schiene
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Wenn es um den öffentlichen Verkehr oder den Ausbau des Schienennetzes geht, sprechen wir nicht von Subventionen. Schließlich sind die Nutznießer solcher Investitionen ja in erster Linie die Bürger. Wir erwarten vom Staat, dass er für die Infrastruktur sorgt und gleiche Wettbewerbsbedingungen herstellt – etwa zwischen Bahn, Pkw und Flieger. Subventionen sind dann eigentlich immer deplatziert, weil sie die Entscheidung der Reisenden verzerren. Erst recht sind sie ein Problem, wenn sie umweltschädliches Verhalten belohnen. In der deutschen Verkehrspolitik ist das allerdings die Regel und nicht die Ausnahme.

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Kai Neumann – Referent Bund deutscher Omnibusunternehmer (Bdo)
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Wir haben im Moment eine Situation, in der generell zu wenig investiert wurde, sowohl bei der Schiene als auch auf der Straße. Zwar sehen wir im Moment bei beiden Verkehrsträgern einen Investitionshochlauf, aber bis kritische Projekte umgesetzt und vielleicht sogar abgeschlossen sind, wird noch viel Zeit vergehen. Grundsätzlich begrüßen wir natürlich, dass die letzte Bundesregierung die Investitionen in die Infrastruktur deutlich erhöht hat und sowohl den Ausbau des Schienennetzes als auch der Straßen stärker priorisiert. Allerdings ist noch viel zu tun, um den öffentlichen Verkehr so attraktiv zu machen, dass die Menschen öfter auf ihr Auto verzichten. Nur so kann die Verkehrswende gelingen.

Was wir kritisch sehen, sind Rufe nach einer Halbierung der Trassenpreise im Bahnfernverkehr. In Deutschland würde eine solche Subventionierung den Steuerzahler über 400 Millionen Euro jährlich kosten. Mehr als der gesamte Umsatz der Fernbusbranche in einem Jahr.

Während für den SPNV argumentiert wird, dass es durch Mehrverkehre und Umschichtung der Mittel nur zu unwesentlich höheren Kosten für die öffentliche Hand kommen wird, geht dieses Argument beim SPFV an der Realität vorbei. Weder ist genügend rollendes Material vorhanden, um kurzfristig signifikant mehr Verbindungen anzubieten, noch würde das Schienensystem solche Mehrverkehre aufnehmen können.

Wenn man sich dann die Begründung für die Halbierung der Trassenpreise anschaut, wird es noch merkwürdiger. Die Forderung lautet, angebliche Wettbewerbsnachteile der Bahn gegenüber dem Fernbus auszugleichen. Schließlich würden Züge auf jedem Kilometer Trassenpreise zahlen, während Busse keine Straßennutzungsgebühren zu tragen hätten. Die Realität ist dann aber doch komplexer. Die Infrastrukturnutzung des Straßen-Personenverkehrs wird in Deutschland bislang über Steuern finanziert. Lediglich im Güterverkehr werden mit der Lkw-Maut Nutzungsgebühren erhoben. Ein Kernbestandteil ist hier die Energiesteuer, die für den Fernverkehr der Bahn übrigens nicht fällig wird. Die Besteuerung von Benzin und Diesel hat 2016 über 36 Milliarden Euro an Steuererträgen erbracht. In dieses System zahlt der Bus voll ein und trägt seine Wegekosten zu 130 Prozent komplett eigenständig.

Auch wenn es keine populäre Aussage ist: Die Straße finanziert die Straße, während die Situation im Bahnverkehr anders aussieht. Der SPFV in Deutschland beispielsweise, trägt seine Infrastrukturkosten bei weitem nicht selbst. Das IGES-Institut kommt beim Bahnfernverkehr auf einen Kostendeckungsgrad von weniger als 30 Prozent.

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Benedikt Weibel – ehem. SBB-Chef und Aufsichtsrat bei der Westbahn
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Ich glaube schon, ich muss aber auch sagen, dass ich nicht mehr sehr nahe an der europäischen Bahnpolitik bin. Ich glaube aber, dass es kein Problem der Förderung ist, sondern ein Problem der Bahn selbst. Wir haben ein uraltes Konzept, ETCS aus den 90er Jahren, das völlig aus der Zeit gefallen ist – technologisch gesehen ist es heute prähistorisch. Mit den heutigen technologischen Mitteln könnte man viel mehr aus unserer Infrastruktur rausholen als wir es heute tun. Die Frage, die wir uns heute stellen müssen: wie steuern wir das Netz und die Energiezufuhr mit den digitalen und technologischen Mitteln die wir heute haben.

Thomas Posch – CCO Westbahn und ehem. Mitarbeiter der ÖBB

Ja, aber falsch! Man braucht gemeinwirtschaftlichen Verkehr, der mit staatlichen Mitteln finanziert und gestützt wird, das ist klar. Aber ich denke, es ist dennoch an der Zeit Direktvergabe zu überdenken und Verkehrsleistungen für einen freien Wettbewerb auszuschreiben.
In Sachen Infrastrukturprojekte geht es für mich darum, Mittel effektiv einzusetzen und dass man Investitionen auch in Fahrzeitverkürzungen und Kapazitätssteigerung spürt.

Niki Schmölz:
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Meiner Meinung nach geht es nicht primär um Förderungen und Investitionsgelder. Es beginnt mit einfachen Dingen, wie zum Beispiel der Senkung und Abschaffung der Bahnstromsteuer, um endlich gleiche Bedingungen zwischen Bahn und Flieger, wo es keine Kerosinsteuer gibt, herzustellen. Auch die Trassenpreise sind in meinen Augen ein Problem, weil sie den Güter- und Personenverkehr aufgrund der hohen Kosten massiv ausbremsen, vor allem auch gegenüber anderen Verkehrsmitteln. Mir geht es einmal darum, die Kosten zu senken und anschließend ist der effiziente Einsatz von Fördermitteln gefragt. Gerade der Nahverkehr kommt in meinen Augen zu kurz: Wir errichten Großprojekte,, aber sparen den Nahverkehr kaputt – hier sind sowohl die EU als auch die Staaten, Länder und Gemeinden gefragt, um finanzielle Mittel effektiv einzusetzen.
Auch Großprojekte sind sehr wichtig, aber wenn man Neben- und Anschlussbahnen vernachlässigt, ist der Weg zum System Bahn immer länger und somit wird die Bahn auch unattraktiver.

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