Verkehrswende statt Antriebswende – Warum das Elektroauto unser Problem nicht löst.

Dez 1, 2018 | Personenverkehr

Gratis Parken, Freigabe der Busspuren und höhere Tempolimits – in Österreich setzt die Bundesregierung viele Anreize, um Elektromobilität auf der Straße zu forcieren.
Doch ist das E-Auto wirklich so klimaschonend und schützt es uns vor ineffizienter Nutzung unserer Infrastrukturen wie etwa vor Stau?


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Elektrifizierung im Straßenverkehr als politisches Mantra

Der deutsche Bundesverkehrsminister hat sich in einem Interview für den ADAC auf die Frage „Brauchen wir eine Verkehrswende?“ doch recht klar dagegen ausgesprochen: „Ich kann mit diesem Begriff nichts anfangen. Tatsächlich verändert sich die Mobilität so schnell und radikal wie zur Zeit der Erfindung des Autos. Ich spreche aber lieber von der Antriebswende. Allerdings müssen neue Antriebstechnologien von den Unternehmen auch beworben werden.“ [note] Vgl.: https://www.adac.de/der-adac/motorwelt/reportagen-berichte/sicher-mobil/scheuer-andreas-verkehrsminister-interview/ zugegriffen am 12.11.18 [/note]

Auch in Österreich hat man sich auf das E-Auto  eingeschworen.
Die neue österreichische Bundesregierung möchte hier noch weiter gehen als die Vorgängerregierung, die mit Ankaufunterstützungen und Steuerbegünstigungen hier Anschub geben wollte.
Neben gratis Parken will man durch höhere Tempolimits auf der Autobahn und durch Freigabe der Busspuren in den Städten das Elektroauto attraktiveren.
Nicht nur, dass sich die Verkehrsminister als Schutzpatrone und Marketinggenies der Autoindustrie entpuppen. Diese Attraktivierungsschritte ziehen auch noch andere weitreichende Folgen nach sich.

Auf Autobahnabschnitten wo man aufgrund von erhöhter Luftbelastung die Geschwindigkeiten auf 100 km/h beschränkt hat, möchte man nun für E-Autos höhere Tempolimits ermöglichen. Jetzt ist es, denke ich, eine Frage der Verkehrssicherheit, ob es sinnvoll ist, einen gewissen Teil der Fahrzeuge um bis zu 30 km/h schneller fahren zu lassen. Im Gegensatz zu allen anderen Fahrzeugen, die nur 100 km/h fahren dürfen, haben diese einen deutlich längeren Brems- und Reaktionsweg.

Die Freigabe der Busspuren sorgt zu Recht auch für sehr viel Furore.
Die Busspur hat den Sinn, dass der öffentliche Verkehr in Form von Bussen gegenüber dem Straßenverkehr bevorzugt wird, keinen Stau hat und somit auch pünktlich unterwegs sein kann. Eine Mischnutzung mit Fahrrädern und Taxis gibt es jetzt schon und schadet oftmals dem Busbetrieb. Würde man jetzt auch noch weitere Fahrzeuge zulassen, verlöre die Busspur ihren Sinn und dies ginge auf Kosten zahlender Fahrgäste. Vor allem in Wien, der Welt-Öffi-Hauptstadt, wo es mehr Jahreskartenbesitzer als zugelassene PKWs gibt, ist das auf jeden Fall ein schlagendes Argument.
Aber auch die Wiener Linien und die Wiener Verkehrsstadträtin zeigen offen Bedenken.
„Autos sorgen auf den Busspuren für Verzögerungen, erklärte Geschäftsführer Günter Steinbauer. Während in einem Gelenkbus 100 Menschen und mehr Platz finden, sitzen in einem Auto im Schnitt nur 1,2 Personen.“ [note] Vgl.: https://derstandard.at/2000088559115/Regierung-will-E-Autos-Vorsprung-verschaffen zugegriffen am 17.11.2018 [/note]
Auch ein Sprecher der Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin, Maria Vassilakou, erklärte, dass die Bevorzugung der Busse bei Ampeln dann nicht mehr möglich wäre. Denn diese wird von den Buslenkern derzeit selbst geschalten. Steht der Bus hinter mehreren Pkw, sei die Beeinflussung nicht mehr möglich. [note] Vgl.: https://derstandard.at/2000088559115/Regierung-will-E-Autos-Vorsprung-verschaffen zugegriffen am 17.11.2018 [/note]

Die österreichische Bundesregierung ist jedoch sehr überzeugt, Verkehrsminister Norbert Hofer will im Notfall durch eine Adaption der Straßenverkehrsordnung eine Öffnung der Busspur erzwingen, sollte es in den Städten bzw. Bundesländern nicht freiwillig passieren. [note] Vgl.: https://derstandard.at/2000088559115/Regierung-will-E-Autos-Vorsprung-verschaffen zugegriffen am 17.11.2018 [/note]
Mittlerweile kommt man seitens der Wiener Stadtregierung der Bundesregierung etwas entgegen und man sucht eine Teststrecke für die Busspur-Freigabe für E-Autos. Details sind noch nicht bekannt. [note] Vgl.: https://derstandard.at/2000088559115/Regierung-will-E-Autos-Vorsprung-verschaffen zugegriffen am 17.11.2018 [/note]

Das E-Auto löst unsere Verkehrsprobleme nicht

Der Hauptgrund warum man Elektrofahrzeugen Vorrang geben möchte ist natürlich der Klimaschutz. Doch trägt das E-Fahrzeug überhaupt zum Klimaschutz und zu lebenswerten Städten bei?

Zunächst einmal, wenn wir die Sache aus Sicht der Stadtplanung betrachten und die relevanten Zahlen im Kopf behalten, dass in Österreich jeden Tag 20 Fußballfelder verbaut werden, überlegen wir uns, wie wir Mobilität flächeneffizient gestalten können. [note] Vgl.: https://www.umweltberatung.at/bodenversiegelung-und-flaechenverbrauch [/note]
Was wir festhalten können ist: Egal ob Diesel, Benzin oder Strom, das Automobil braucht viel Platz, egal ob es fährt oder steht.
Um unsere Städte also menschenfreundlich und nicht „nur“ autofreundlich zu machen, hilft es absolut nichts. Warum man den „motorisierten“ Individualverkehr auch noch fördern will und in dem oben erwähnten Fall damit gleichzeitig den ÖV ausbremst, ist also mehr als fraglich.

Hier ein paar Zahlen und Grafiken zur Flächeneffizienz im ÖV bzw. zur Platzverschwendung durch das Automobil:

flaechenverbrauch_autoQuelle: https://www.vcoe.at/publikationen/infografiken/oeffentlicher-verkehr zugegriffen am 1.12.2018

Bei einer 130 Meter langen, dreispurigen Straße, ist Platz für 87 PKWs. Mit einem durchschnittlichen  Besetzungsgrad entspricht dies 100 Personen.
In einer 24 Meter langen Straßenbahn haben genauso viele Menschen Platz und es entsteht viel Raum für Geh- und Radwege sowie Grünraum, der nicht nur zur Erholung dient, sondern auch für das Klima in der Stadt sehr wichtig ist.

effizienz_oevQuelle: https://www.vcoe.at/publikationen/infografiken/oeffentlicher-verkehr zugegriffen am 1.12.2018

Hier sieht man, dass Eine S-Bahn-Garnitur von 150 Metern Länge so viele Personen befördert wie 436 durchschnittlich besetzte PKWs in Österreich.

Zu einer lebenswerten Stadt gehört nicht nur gute Luft, sondern auch genug Platz für Freiraum und Wohnbau. Das Automobil nimmt seit Jahren große Flächen in Anspruch und das wird auch eine Batterie nicht ändern.

Zudem löst es kein Verkehrsproblem. Kein Stau wird dadurch verhindert, Reisezeiten werden nicht kürzer. Ganz im Gegenteil, wenn wir in Zeiten, die durch Urbanisierung, Bevölkerungswachstum und daraus resultierendem wachsenden Verkehrsaufkommen geprägt sind, am Individualverkehr festhalten, wird es nur schlimmer. Schon jetzt sind Straßeninfrastrukturen in Städten und Stadtregionen massiv überlastet.

Das Elektroauto ist leider kein Klimaretter

Die nächste Frage, die wir uns stellen müssen ist, wo kommt der Strom für die Elektroautos her?
Zwar ist theoretisch mehr als genug Strom vorhanden, um die gesamte heimische Flotte mit sauberer Energie zu versorgen. Doch dann müssten eben Industrie oder Haushalte auf einen Teil des Stroms verzichten, den sie bisher verbrauchen. Die geplante Umstellung vieler Unternehmen auf eine CO2-arme Produktion wird allerdings den Stromverbrauch der Industrie sogar noch steigern. Allein die Dekarbonisierung des Linzer Stahlkonzerns Voestalpine brächte einen zusätzlichen Strombedarf von 33 Terawattstunden (TWh) – das ist fast die Hälfte des aktuellen Stromverbrauchs in Österreich von 70 TWh. [note] https://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/5174338/Geht-Elektroautos-der-Strom-aus zugegriffen am 21.11.2018 [/note]

Aber auch den CO2-Ausstoß der vermeintlichen Klimafreunde darf man nicht vergessen. Hier ein Vergleich von CO2-Emissionen aus Deutschland.

emissionen_verkehrQuelle: https://www.news.at/a/elektroauto-zukunft-9050887

Fahrrad, Bus und Straßenbahn gemeinsam liegen noch immer unter dem Elektroauto. Man sieht, dass vor allem die Herstellung viele Emissionen verursacht, aber auch der Betrieb stellt ein Problem dar.e_auto_2Der öffentliche Verkehr, der zu einem überwiegenden Teil aus dem Verkehrsträger Schiene besteht, braucht natürlich auch Strom.
Der entscheidende Unterschied zum Individualverkehr ist die sehr hohe Energieeffizienz und der deutlich niedrigere pro Kopf Verbrauch.
Die Bahn ist deutlich energieeffizienter:
Ein E-Golf zum Beispiel braucht auf 100 km 12,7 kw/h . [note] https://www.stromschnell.de/elektroautos/vw-egolf-strom-im-golfpelz_5141510_5093780.html [/note]

Die Westbahn braucht, um Ihre mit 501 Fahrgästen besetzte doppelstöckige Garnitur von Wien nach Salzburg (320 km Bahnstrecke) fahren zu lassen, bis zu 2.500 kw/h. [note] Vgl.: http://www.sciam-online.at/oebb-und-westbahn-sparen-strom-auf-der-schiene/ [/note]

Im ersten Moment hört sich das sehr viel an, aber wenn wir es auf Personen runterrechnen siehts ganz anders aus:
Auf 320 km würde das Elektroauto somit 40,65 kw/h brauchen, bei einem vollen Besetzungsgrad (5 Personen) und nur durchschnittlichem Verbrauch also 8,13 kw/h pro Kopf.

Im Zug liegt der Energieverbrauch pro Kopf bei 4,99 kw/h, aber dort sind zudem auch noch Bistros, Toiletten und ausreichend Platz für Gepäck und Fahrräder vorhanden. Und mit Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h ist man auch deutlich schneller ?

Der E-Golf braucht fast doppelt soviel Energie und hat eine Alltagsreichweite von 140 km. [note] Vgl.: https://www.stromschnell.de/elektroautos/vw-egolf-strom-im-golfpelz_5141510_5093780.html [/note]
Also müsste man zwischen Wien und Salzburg auch noch laden.

Hier nochmal ein Überblick über Emissionen und Stromverbrauch von Verkehrsmitteln:


verbrauch_emissionen_verkehr
Quelle: https://www.vcoe.at/publikationen/infografiken/oeffentlicher-verkehr zugegriffen am 1.12.2018

Der öffentliche Verkehr schneidet bei Energieverbrauch und Emissionen einfach deutlich besser ab.

Zum aktuellen Zeitpunkt ist das Elektroauto ein wahrer Stromfresser. Wenn wir davon ausgehen, dass es zu einem Massenfahrzeug wird, dann ist klar, dass wir verstärkt auf Kohle- und Atomkraft setzen müssen.
Die wahren Auswirkungen des Elektroautos sieht man dann im Atommülllager und die Emissionsmessungen gibt’s dann nicht mehr am Prüfstand, sondern vorm Kohlekraftwerk.

Zusammengefasst gesagt: Ja, die lokalen Emissionen von E-Fahrzeugen liegen bei null. Der Strombedarf wird jedoch massiv ansteigen. Schon jetzt können wir nur Bruchteile des Energieverbrauchs in Europa durch Ökostrom gewährleisten. Somit wird es anstatt zu einer Energiewende wahrscheinlich eher zu einem Trend hin zu konventionellen Energieträgern kommen.verkehrswendeIn urbanen Räumen und auf Hauptverkehrsstrecken wäre es am besten, auf den Individualverkehr zu verzichten. In Städten würde man sich auf Einsatzfahrzeuge und Wirtschaftsverkehr beschränken.
Diese Fahrzeuge kann man dann natürlich auch elektrisch betreiben, um in Städten für bessere Luft zu sorgen. Eine „kleine“ Fahrzeugmenge braucht auch deutlich weniger Strom, aber als Massenfahrzeug oder großer Klimaretter wird uns das E-Auto nicht dienen können. Auch wenn der deutsche Verkehrsminister damit nichts anfangen kann, aber es braucht eine Verkehrswende. Bahn-, Bus- und Radverkehr müssen attraktiver und leistungsfähiger gemacht werden.

Es bleibt zu hoffen, dass die richtigen Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden. Man hat schon in den 60ern und 70ern einmal eine falsche Entscheidung getroffen und dem Automobil den Vorrang gegeben. Machen wir denselben Fehler nicht noch einmal!

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