„Wir sind überzeugt, dass Wasserstoff den Wandel auf der Schiene vorantreiben wird.“

Mai 13, 2020 | Bahnindustrie, Interviews

Ich habe mit Dr. Jörg Nikutta, dem Managing Director von Alstom in Deutschland und Österreich,über den Wasserstoffzug Coradia iLint gesprochen und wie Wasserstoff die Welt der Bahn revolutionieren kann.


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Welchen Beitrag kann der Wasserstoffzug von Alstom für eine effiziente und zukunftsfähige Mobilität leisten?

Auf dem Weg in eine emissionsfreie Mobilität kann der Einsatz von Antriebstechnologien auf Basis einer Brennstoffzelle einen wichtigen Beitrag leisten. Mit Hilfe von Wasserstoff und Sauerstoff wird in der Brennstoffzelle elektrische Energie erzeugt – eine echte Alternative zum herkömmlichen Dieselantrieb auf nicht elektrifizierten Strecken, wie sie in Deutschland, Österreich und vielen anderen Ländern Europas häufig noch zu finden sind. Unser Ziel ist es, Wasserstoff als einen strategischen Faktor in der Mobilitätswende zu positionieren. Wir sind überzeugt, dass Wasserstoff den Wandel auf der Straße und Schiene – hin zu einem sauberen und letztendlich emissionsfreien Verkehr auf Basis einer umweltfreundlichen Energie-Infrastruktur – vorantreiben wird.

Mit dem wasserstoffbetriebenen Coradia iLint haben wir einen Nahverkehrstriebzug mit innovativer und umweltfreundlicher Antriebstechnologie entwickelt. Damit sind wir Impulsgeber bei der Sektorkopplung, deren Ziel die Dekarbonisierung der Energieversorgung ist. Dies ermöglicht es erneuerbare Energien im Wasserstoff zu speichern, so dass sie für die traditionellen Sektoren Elektrizität, Wärme, Verkehr bzw. Mobilität und Industrie jederzeit flexibel und nach Bedarf genutzt werden können. Wir bieten damit unseren Kunden die Möglichkeit, gemeinsam ein klimafreundliches Mobilitätsangebot zu schaffen.

Was waren die Herausforderungen beim Projekt Coradia iLint?

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, wenn es um eine CO2-neutrale Energieversorgung geht. Länder wie Österreich und Deutschland haben das Potenzial erkannt und wollen in dieser für die Energiewende entscheidenden Technologie eine „globale Vorreiterrolle“ einnehmen bis hin zu dem Ziel „Wasserstoff-Nation Nummer eins“ zu werden. Wasserstoff wird jedoch erst mit der Entwicklung des Coradia iLint durch Alstom als Energiequelle im Bahnsektor eingesetzt. Andere Bereiche, wie z.B. die Automobilindustrie, sind hier schon weiter.

In einem ersten Schritt galt es daher, bestehende Zweifel an der Alltagstauglichkeit zu zerstreuen und Vertrauen in die Zuverlässigkeit sowie in die Sicherheit dieser Technologie zu schaffen. Hierzu mussten wir Zulassungsbehörden, Infrastrukturbetreiber, Eisenbahnverkehrsunternehmen auf ihrem jeweiligen Wissensstand abholen und von einem sicheren Betrieb überzeugen. Wir konnten in dieser Phase auf die gute Reputation unseres Unternehmens in der Branche und auf langjährige Geschäftsbeziehungen mit diesen Institutionen und Partnern zurückgreifen. Mit den Ergebnissen wurden entscheidende Grundlagen für künftige Regelwerke gelegt und wahre Pionierarbeit auf dem Weg zu emissionsfreier Mobilität geleistet.

Ein solches Projekt steht und fällt mit der Bereitstellung des Energieträgers – in Deutschland, wo wir den Zug erstmalig testen wollten, gab es bis dato jedoch keine Wasserstofftankstelle für Züge. Eine Nutzung bestehender Wasserstofftankstellen für PKW war nicht möglich, da diese Tankstellen nur einen Bruchteil der für den Zugbetrieb erforderlichen Energie bereitstellen können. Alstom hat sich daher sehr für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur engagiert und gemeinsam mit Wasserstofflieferanten, die bisher meist keine oder nur wenig Berührung mit dem Schienensektor hatten, entsprechende Lösungen entwickelt. inzwischen wird sehr deutlich, dass die Bereitstellung der Wasserstoff-Infrastruktur für die Schiene einen wesentlichen Beitrag zum Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur leisten kann.

Was war ausschlaggebend, um einen Wasserstoffzug zu entwickeln und auf den Markt zu bringen?

Alstom entwickelt für seine Kunden Mobilitätslösungen der Zukunft: Immer mehr SPNV-Aufgabenträger suchen langfristig nach Alternativen zum traditionellen Dieselzug auf nicht-elektrifizierten Strecken und wollen ihre Fahrzeugflotten auf emissionsfreie Fahrzeuge umstellen. Mit unserem emissionsfreien Wasserstoffzug leisten wir einen Beitrag auf dem Weg zu einem umweltfreundlichen öffentlichen Personennahverkehr und reagieren auf die aktuelle Markt- und Infrastruktursituation.

Heute sind in Europa (EU28) nur rund 54% der Bahnhauptstrecken elektrifiziert. Deutschland liegt mit 60% elektrifizierten Bahnstrecken nur knapp über dem europäischen Durchschnitt. Etwas besser sieht es hier in Österreich aus: Hier sind 70% der Bahninfrastruktur elektrifiziert. Gegenwärtig wird der Verkehr auf nicht-elektrifizierten Strecken durch Dieselzüge bzw. -lokomotiven sichergestellt, die pro Jahr 1,4 Milliarden Liter Kraftstoff verbrauchen. Das entspricht 25% des gesamten Energieverbrauchs des Bahnhauptverkehrs.

Den Coradia iLint haben wir vor allem für nicht-elektrifizierte Strecken entwickelt. Wir wollen damit den Markt für Dieselzüge in Europa ansprechen. Die Fahrzeugflotte in Europa umfasst gegenwärtig rund 6.000 Dieseltriebzüge und weitere 6.000 Diesellokomotiven (2017 Unife). Davon entfallen 60% auf den mitteleuropäischen Markt inklusive Deutschland.

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Oftmals ist die Skepsis bei Wasserstofftechnologien recht groß, wie entgegnen Sie der Kritik?

Wasserstoff ist seit Jahrzenten ein wichtiger Bestandteil vieler industrieller Prozesse und wird in großen Mengen eingesetzt. So existieren in Deutschland beispielsweise mehrere Wasserstoffpipelines. Die erste wurde bereits 1938 in Betrieb genommen. Wir greifen also auf jahrzehntelange Erfahrung mit der Wasserstofftechnologie und der Wasserstoffsicherheit zurück.

Die Sicherheit der im Fahrzeug verwendeten Komponenten wurde in zahlreichen Versuchen und Studien nachgewiesen. Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) hält Hochdruckbehälter mit Wasserstoff oder Erdgas sogar für sicherer als herkömmliche Fahrzeug-Benzintanks in vergleichbaren Gefahrensituationen. Außerdem unterliegt die Zulassung der mit dieser Technologie angetriebenen Fahrzeuge äußerst strengen Kontrollen, die alle sicherheitsrelevanten Aspekte abdecken. Seit Sommer 2018 hat unser Zug die Zulassung des Eisenbahnbundesamtes für den Betrieb mit Fahrgästen in Deutschland und erfüllt damit alle relevanten Sicherheitsstandards.

Was sind die Vorteile des Wasserstoffzuges gegenüber Diesel- oder Batteriebetrieb?

Der Coradia iLint ist ein Zug, der emissionsfrei auf dem gesamten Streckennetz betrieben werden kann, also auch und insbesondere auf nicht-elektrifizierten Strecken, wo es keinen Fahrdraht zur Versorgung des Antriebssystems gibt. Es handelt sich um einen Zug, der vollkommen CO2-emissionsfrei ist. Die Leistung der Züge ist vergleichbar mit der Leistung von Dieseltriebzügen der neuesten Generation, d.h. sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h und eine vergleichbare Beschleunigungs- und Bremsleistung. Vor allem haben die Fahrzeuge eine Reichweite von rund 1.000 km mit einer Tankfüllung und können damit mehrere Umläufe ohne Nachtanken fahren.

Der Coradia iLint ist eine Revolution im Schienenverkehr, da er eine echte Alternative zum Dieselantrieb darstellt. Gleichzeitig müssen Passagiere nicht auf den gewohnten Fahrkomfort verzichten, denn der Coradia iLint basiert auf unserer jahrelang erprobten Coradia-Plattform, die viele unserer Kunden bereits in der Dieselvariante kennen. Zudem ist der Wasserstoffzug wesentlich leiser als ein konventioneller Dieseltriebzug unterwegs.

Was zeigen die ersten Erfahrungen mit dem Coradia iLint?

Unsere zwei Vorserienzüge des Modells Coradia iLint wurden zwischen September 2018 und Februar 2020 auf einer knapp 130 Kilometer langen Strecke in Norddeutschland im regulären Fahrgastbetrieb eingesetzt. Auch weitere Tests in anderen Bundesländern zeigen die Serienreife der Technologie. Im März 2020 wurde der Wasserstoffzug das erste Mal außerhalb Deutschlands getestet: Dort war der Coradia iLint zehn Tage lang auf einer 65 Kilometer langen Strecke zwischen Groningen und Leeuwarden in der niederländischen Provinz Groningen im Einsatz.

Der Testbetrieb in Niedersachsen unter realen Betriebsbedingungen hat gezeigt, dass unsere Brennstoffzellentechnologie im täglichen Fahrgastbetrieb erfolgreich eingesetzt werden kann. Aus dem Einsatz der Brennstoffzellenzüge haben wir wertvolle Daten für die Weiterentwicklung der Antriebstechnologie gewonnen. Durch die Reduzierung der Betriebsgeräusche konnten wir den Fahrgastkomfort noch weiter verbessern. Zudem punktet der Brennstoffzellenzug mit seinem geringen Verbrauch und wir konnten anhand der Daten die Zuverlässigkeit des Zuges erhöhen – ein wichtiger Faktor für unsere Kunden und die Passagiere, die die Züge Tag für Tag nutzen. Die erst kürzlich durchgeführten Tests in den Niederlanden unterstreichen die hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit unseres Wasserstoffzugs auch auf Strecken im europäischen Ausland.

Das hohe Interesse an unserem Wasserstoffzug aus dem In- und Ausland zeigt, dass wir mit dieser Technologie den Zeitgeist getroffen haben. Wir haben weltweit als erstes Unternehmen einen wasserstoffbetriebenen Zug auf die Schiene gebracht und in Deutschland bereits 41 Coradia iLint verkauft.

Welchen Beitrag kann der Wasserstoffzug von Alstom für eine effiziente und zukunftsfähige Mobilität leisten?

Zur Erreichung der weltweiten Klimaschutzziele ist die Nutzung erneuerbarer Energieträger unerlässlich. Durch den Einsatz regenerativer Kraftstoffe wie Wasserstoff aus erneuerbaren Energien können konventionelle Kraftstoffe ersetzt werden. Damit wird es möglich, auch Anwendungen im Verkehr- und Wärmesektor sowie in der Industrie zu dekarbonisieren, für die eine direkte Nutzung von Strom nicht möglich ist.

Der Coradia iLint ist nicht nur wegen der Antriebstechnik interessant. Wir bieten unseren Kunden auch eine komplette Tankstellen-Infrastruktur mit lokalen Wasserstoffversorgern an, die idealerweise mit regenerativen Energien gewonnenen Elektrolyse-Wasserstoff liefern. Hierdurch kommt auch erheblicher Schwung in die flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff als Antriebsenergie, die letztlich auch Brennstoffzellen-Pkw zum Durchbruch verhelfen könnte.

Was glauben Sie ist der Anspruch an die Mobilität der Zukunft und wie kann hier der Wasserstoffzug helfen?

Wir sehen im Austausch mit unseren Kunden, dass der Anspruch der Kunden und ihrer Verbraucher an die Mobilität der Zukunft wächst – das betrifft sowohl Umwelt- und Klimaschutzaspekte als auch die Digitalisierung der Verkehrssysteme. Alstom hat darauf schon frühzeitig reagiert und wir haben eine nachhaltige Mobilität in den Fokus unserer Arbeit gestellt. Mit unserem Ziel, eine globale Wende hin zu einem kohlenstoffarmen Transport- und Verkehrssystem zu schaffen, bietet Alstom als einziger Hersteller weltweit seinen Kunden diesel-, wasserstoff- und batteriebetriebene Züge an. Wasserstofftechnologien und -lösungen werden dabei eine wichtige Rolle in unserer globalen Zukunftsvision spielen. Der Coradia iLint ist ein perfektes Beispiel für unser Engagement, innovative und umweltfreundliche Lösungen zu entwickeln und zu liefern.

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