Interview mit Sven Pöllauer

Aug 24, 2019 | Güterverkehr & Logistik, Innovation, Interviews, Personenverkehr

Ich habe mit Sven Pöllauer, Manager für EU&International Affairs bei ÖBB-Holding AG, unter anderem über Interrail, den ÖBB Nightjet, Herausforderungen auf der europäischen Schiene und Verspätungen aus dem Ausland gesprochen.


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Würdest Du dich bitte kurz vorstellen?

Ich bin im Corporate Affairs Team der ÖBB Holding für europäische Personenverkehrsthemen zuständig. Wir monitoren aktuelle Entwicklungen auf EU-Ebene, die Auswirkungen auf unser Unternehmen und unsere Fahrgäste haben könnten und arbeiten mit den Kollegen der anderen europäischen Bahnen daran, die Rahmenbedingungen für umweltfreundliche Mobilität zu verbessern. Ich beschäftige mich seit rund 10 Jahren mit Bahn- und Infrastrukturthemen. In meiner Master-Thesis habe ich mögliche Auswirkungen des 4ten Eisenbahnpaketes der EU auf Österreich untersucht und in meiner Zeit im Finanzministerium konnte ich einen guten Einblick in die finanziellen Rahmenbedingungen der Bahn in Österreich bekommen.

Wo siehst Du die zentralen Herausforderungen auf der europäischen Schiene?

Die aktuelle Klimadiskussion zeigt es deutlich: der Verkehrssektor ist in ganz Europa ein großer CO2-Verursacher und die Bahn kann sowohl im Personen- als auch im Güterbereich eine echte Alternative zu LKW, Bus und Flugzeug sein. Europa muss die Rahmenbedingungen für die Schiene verbessern um mehr Menschen und Güter auf dieses klimafreundliche Verkehrsmittel zu verlagern. Derzeit gibt es keinen fairen Wettbewerb zwischen Straße und Schiene. Während es etwa eine flächendeckende Schienenmaut in Europa gibt, nutzen LKWs & Busse Straßen in vielen Staaten kostenlos. Das Fehlen einer Kerosinsteuer macht extrem niedrige Flugpreise – wie 24 Euro für Wien-Berlin – möglich. Oder um ein österreichisches Beispiel zu nennen: wir haben die höchste Energieabgabe auf Bahnstrom in der ganzen EU aber eine Mineralölsteuerbegünstigung für Diesel bei LKW und Bussen.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sollten dem Ausbau und der Förderung der Bahn hohe Priorität einräumen – im Sinne des Klimaschutzes aber auch der Bahnkunden. Ein wichtiger Punkt wo Europa bereits gehandelt hat ist eine europaweite Zulassung für Züge. Einen LKW kann ich in Rumänien anmelden und quer durch Europa bis nach Portugal fahren. Derzeit muss ein Zug noch in jedem Land in dem er fährt eigens zugelassen werden. Das wird sich ab Mitte 2020 ändern: dann wird die europäische Eisenbahnagentur Zulassungen für ganz Europa erlassen und man kann leichter grenzüberschreitende Bahnverkehre anbieten.

Welche Rolle nimmt die ÖBB, als größter Nachtzuganbieter Europas, in der transeuropäischen Mobilität ein?

Nachtzüge sind die klimafreundliche Alternative zu Kurzstreckenflügen in Europa. Nachtzüge sind aber nicht nur eine klimafreundliche, sondern auch eine stressfreie Alternative zum Flug. Statt stundenlangem Warten zu nachtschlafender Zeit auf einem überfüllten Flughafen-Terminal können Geschäfts- und Privatreisende gemütlich im Zug schlafen und ausgeruht den Termin oder Urlaub antreten. Um das Reisegefühl für die Fahrgäste noch attraktiver zu gestalten haben die ÖBB 13 neue und modern ausgestatte Nachtzüge bestellt.

Wir als ÖBB sind stolz, der größte Anbieter von Nachtzügen in Europa zu sein und wollen unsere Reiseziele in den kommenden Monaten und Jahren noch ausbauen. Aber auch hier braucht es bessere Rahmenbedingungen seitens der Politik und der Infrastrukturbetreiber.

Der DB Vorstandsvorsitzende Richard Lutz sagte im Handelsblatt vor einigen Monaten: “Die Schiene kann Europas starkes Rückgrat sein.“ Wie sieht man das bei den ÖBB?

Die Schiene kann die Lösung für die Klimaschutz-Herausforderungen Europas sein. Besonders beim Güterverkehr gibt es da große Chancen für die Schiene: die Anzahl der transportierten Güter in Europa wird in den kommenden Jahren massiv zunehmen. Das Ziel muss es sein einen besseren und nachhaltigeren Verkehrsmix beim Gütertransport zu erreichen. Derzeit werden nur 18% aller Güter auf der Schiene transportiert, wir wollen bis 2030 30% aller Güter auf die Schiene bringen. Dafür braucht es aber auch faire Rahmenbedingungen! Um auf diese aufmerksam zu machen haben sich einige europäische Güterbahnen, wie die Rail Cargo Group der ÖBB, zur „Rail Freight Forward“-Initiative zusammengeschlossen und werben für die Umsetzung dieser notwendigen Maßnahmen um eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene zu erreichen.

Zwei Drittel der Fernverkehrsverspätungen bei den ÖBB entstehen in Nachbarländern – kann man überhaupt sagen, dass die europäische Eisenbahn funktioniert?

Jede Verspätung ist eine zu viel! Wir arbeiten eng mit den Infrastrukturbetreibern in allen Ländern  zusammen um Verspätungen möglichst gering zu halten bzw. unsere Fahrgäste rechtzeitig über möglichen Störungen zu informieren.

Welche Rolle spielt das europäische Projekt Interrail für ein “kleines Land“ wie Österreich und wo sieht die ÖBB Vor- und Nachteile?

Wir als ÖBB bieten Interrail-Tickets an: damit kann man um rund 200 Euro in 5 Tagen bis zu 30 europäische Länder mit der Bahn bereisen. Gerade für junge Menschen ist das eine gute Möglichkeit um Europa kennenzulernen. Aber auch immer mehr Touristen außerhalb Europas nutzen Interrail-Tickets um unseren Kontinent per Bahn zu erkunden.

Positiv bewerten wir die neue Initiative der EU Kommission – „Discover EU“ – bei der in einem ersten Schritt 27.000 18jährigen in Europa ein Interrail-Pass geschenkt wurde. Dieses Programm soll in den kommenden Jahren ausgeweitet werden. Ziel ist das zwischen 2021 und 2027 rund 1,5 Millionen 18jährige EU-Bürger einen gratis Interrail-Pass bekommen.

Wie oft bist Du mit dem Zug unterwegs und was gefällt Dir am Reisen mit der Bahn?

Sven Pöllauer im ÖBB Nightjet / Quelle: Sven Pöllauer

Ich bin beruflich und privat viel und gerne mit der Bahn unterwegs – sei es mit der S-Bahn innerhalb Wiens, mit dem Railjet in meine Heimat Graz oder dem Nightjet nach Zürich. Ehrlich gesagt bin ich ein schlechter Autofahrer und allein schon deswegen auf die Bahn angewiesen aber ich genieße auch jede Fahrt: die Möglichkeit arbeiten oder einfach ein gutes Buch lesen zu können, mal in das Bistro zu gehen oder im ÖBB-Railnet eine Serie zu schauen oder eine Zeitung zu lesen. Es gibt für mich kein stressfreieres Reisen als mit der Bahn.

Welche Dinge hast du bei einer Fahrt mit der Bahn immer mit dabei?

Meinen Laptop, ein Buch und etwas Geld – denn ein Besuch im Bistro ist ein Muss für mich!


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