GASTBEITRAG: Fahrkartenautomaten – “dumme Kisten” oder Retter in der Not?

Nov 17, 2018 | Interviews

Die Fahrkartenautomaten. Alle kennen wir sie, manche von uns durchaus gut. Es stellt sich dann eine fast überflüssige Frage: Wofür sind sie gut? Warum trifft man sie immer noch so häufig an, selbst im Zeitalter von moderneren Technologien? Was für Vorteile bringen sie?


David KrasenskyDavid Kràsenský:
Bahnexperte aus Leidenschaft . Geboren 1973 in Vyškov, Tschechien. Die Hälfte seines Lebens hat David in Brünn verbracht und ist vor kurzem zu einem „echten Wiener“ geworden . An der Universität studierte er Informatik und Verkehrswesen. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er in der Bahnbranche und beschäftigt sich aktuell mit der Vorbereitung sowie Koordinierung von Forschungsprojekten, Innovationen, internationaler Zusammenarbeit, Marketingtätigkeiten und Publikationen im Zuge von fachlichen und wissenschaftlichen Konferenzen. Als polyglotter Übersetzer und Dolmetscher beschränken sich seine Interessen aber bei Weitem nicht nur auf die Bahn.

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Vonseiten der Bahn – oder dem Beförderer allgemein – ist es klar: An erster Stelle steht die Kostenersparnis. Trotz ziemlich hohem Beschaffungspreis lohnen sie sich, und zwar dank der relativ geringen Betriebskosten. Sie brauchen nicht nur kein Gehalt, sondern auch keine Räumlichkeiten, keine Klimaanlage, keine andere Ausstattung. Und sie arbeiten (fast) unermüdlich rund um die Uhr.

Auch für die Fahrgäste ist der Fahrkartenverkauf am Automaten immer noch wichtig. Obwohl es heutzutage schon angenehmer ist, einen Fahrschein über das Handy und über die vorhandene App zu erwerben, nutzen viele diese nicht gerne, weil sie nur gelegentlich mit der Bahn reisen, aus dem Ausland kommen und keine Lust haben, die App einmalig zu installieren, oder einfach überhaupt kein Smartphone haben. Für den Fahrgast ist dann wichtig, wenn der Fahrkartenautomat von ihm bevorzugt wird, nicht nur alle gewohnten Angebote und Ermäßigungen am Bildschirm zu finden und mit verschiedenen Zahlungsmethoden bezahlen zu können, sondern vor allem, die Maschine bequem und schnell bedienen zu können, schnell und zuverlässig die richtige Fahrkarte zu erhalten (d.h. mit den richtigen Parametern), und schnell zum Bahnsteig laufen zu können.

Schnell, schnell, dreimal schnell. Ist die schnelle Abwicklung denn wirklich so wichtig? Sogar wichtiger als andere Bedienungsparameter? Meiner Meinung nach ja. Wenn man das Ticket über das Handy besorgt oder sogar zu Hause vor der Fahrt kauft, hat man für alles genug Zeit. Wenn man allerdings am Fahrkartenautomaten steht, muss man ganz einfach das Ziel wählen und Ermäßigungen eingeben können und dann, tap, tap, bezahlen. Häufig ist man auch in Zeitnot – eine Minute vor Abfahrt – und braucht daher gar nichts Kompliziertes.

Was für ein “Zeugnis” bekommen die Fahrkartenautomaten in verschiedenen Ländern? In welchem Maße unterscheiden sie sich?

Machen wir eine kleine Reise durch (Mittel-)Europa und beachten wir die Bedienung und auch die beim Einkauf verbrachte Zeit. (Heutzutage sprechen wir hier natürlich nicht von den nicht so beliebten, alten “dummen Kisten“, sondern von den vollwertigen mit Computer gesteuerten Maschinen, häufig mit denselben Funktionalitäten wie webbasierte E-Shops.)

Niederlande: die robusten “Kisten“ in gelb-blauer Farbe der heimischen Bahnen NS sind überall: Einen klassischen Schalter sucht man fast vergeblich. Alle Optionen sind logisch geordnet, die Bedeutung kann man selbst im Holländischen gut ableiten. Selbstverständlich ist die Bezahlung nicht nur mit Bargeld oder mit Bankkarte möglich, sondern auch mit der OV-chipkaart, mit der sich das ganze Öffi-Netz Hollands nutzen lässt. Bedienungszeit bis zur Zahlung: ca. 20 s. Nur, warum muss man eine Option nach der anderen auf dem ganzen großen Bildschirm bestätigen? Wäre es nicht möglich, alles auf einmal zusammenzustellen?


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Quelle: David Krásenský

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Quelle: David Krásenský

Die Niederlande: einfache Automaten – etwas zu große Bildschirme

Tschechien: Ich muss zugeben, ich liebe sie. Extrem einfache Bedienung: Auf dem einen Bildschirm wählt man das Ziel und das Wichtigste, wie zum Beispiel das Abfahrtsdatum, auf einem zweiten hat man die Möglichkeit, das Übrige zu ändern. Alles auf einem Platz. Die Bedienungszeit vom ersten Berühren bis zur Zahlung liegt im Sekundenbereich. Einen Nachteil gibt es allerdings: Die Zahlung ist nur mit ČD-Kundenkarte möglich. Und nicht zu vergessen, Nachteil Nr. 2: Sie wurden vor kurzem eingestellt.


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Quelle: David Krásenský

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Tschechien: Sehr einfach gibt man (oder gab man) die Zielstation ein. Schnell erscheint dann der Bildschirm mit allen ausgewählten Optionen zum Bezahlen.

Österreich könnte man in gewisser Weise als das Gegenteil bezeichnen: Der Automat ist zwar sehr „fancy“, mit modernem Oberflächendesign, ja sogar mit dem Internet-E-Shop und mit der ÖBB-App vereinheitlicht, aber die Bedienung ist, trotz der gut erreichbaren Optionen, ziemlich kompliziert. Insbesondere für ältere Menschen (aber nicht nur für diese) ist die Bedienung häufig undurchschaubar. Persönlich wurde ich Zeuge, wie die Kunden versuchten, einander die für sie unverständliche Bedienung zu erklären – ohne damit Erfolg zu haben: „Du musst immer nur auf den roten Pfeil tippen, nur weiter, weiter, und bis zum Bezahlen!“ Viele vermissen auch eine einfachere Eingabe der meistbenutzen Ermäßigungen und Ähnliches. Und vor allem sind die Responsezeiten zu lang: Wahrscheinlich aufgrund des internen Designs dauert es immer einige Zeit, den nächsten Bildschirm aufzurufen und darzustellen. Dies erkennt man auch an der Schlangenlänge: Vor den Automaten stehen deutlich mehr Menschen als früher, und man wartet viel länger. Stichprobenweise abgemessen: Die kürzest mögliche beim Fahrkartenkauf verbrachte Zeit, d.h. bei einer schnellen Wahl, beträgt 14 – 18 s bis zur Bezahlung (der finale Bildschirm ist der langsamste beim „Hochfahren“); mit Auswahl der Zielstation und ggf. einer Ermäßigung bis über 1 Minute. Multiplizieren wir dies mit fünf bis zehn Kunden und die Wartezeiten werden einfach inakzeptabel. Man kann deswegen locker seinen Zug verpassen. Und auch für den Betreiber ist es nichts Vorteilhaftes: Eine längere Bedienungszeit bedeutet einen größeren Bedarf an Automaten und daher höhere Kosten (ganz abgesehen von der Unzufriedenheit der Kunden).

Bild 6Quelle: David Krásenský

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Quelle: David Krásenský

„Wer fährt und wann?“ – „Na ich doch, gleich! Und schnell, los!“ Die „fancy“ Benutzeroberfläche ist zwar hübsch, hat aber relativ lange Responsezeiten.

Deutschland: Auch ein ziemlich kompliziertes System, bei dem man auch die konkrete Verbindung, den Tarif usw. auswählen muss. Doch alles ist logisch, man braucht 10 – 12 s zur Zahlung bei einer schnellen Wahl, 36 s bei Wahl eines anderen (getippten) Ziels, und ca. 56 s mitsamt Reservierung. Bezahlung mit Münzen, Banknoten oder Karte (häufig nur Maestro). Und nicht zu vergessen: eine gut verständliche, übersichtliche Zusammenfassung am Ende.

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Bild 8Quelle: David Krásenský

„Bitte wählen Sie…“ wird man in Deutschland gefragt und mehrere Optionen passen auf einen Bildschirm. Am Ende erhält man eine sehr übersichtliche Zusammenfassung. Aber warum kann es eigentlich nicht DER einzige Bildschirm werden?

Das war also eine kleine Übersicht einiger europäischer Länder. Die Fahrkartenautomaten unterschieden sich ja ziemlich deutlich. Trotzdem dienen sie am Ende ein und demselben Zweck. Ich persönlich halte die Verständlichkeit für den Kunden mit für das Wichtigste, gleich nach einer kurzen Responsezeit – die schätzt man vor allem in Zeitnot.

Wie würde ich mir dann einen idealen Fahrkartenautomaten vorstellen? Alles auf einem Schirm, da gibt es doch genug Platz. Abgesehen davon macht ein solches Layout die Bedienung einfach und schnell. Die am häufigsten benutzten Optionen direkt zur Verfügung gestellt (die häufigsten Zielbahnhöfe, ÖBB VCC, Jahreskarte, …). Dann unter jeder Wahl ein „Sub-Fenster“, aber nur wenn man es braucht. Einen schnellen Bildschirmübergang, die Möglichkeit einer „schnellen Wahl“. Und zum Layout: Der Bildschirm sollte in seinem Aufbau (nicht in der Grafik) am besten der Fahrkarte ähneln: Es werden sowieso alle von dem Kunden angegebenen Optionen auf die Fahrkarte gedruckt bzw. berücksichtigt. Und der Kunde kann so alle Angaben viel einfacher überprüfen, da es ein Format ist, das er schon gut kennt.

Und welcher Meinung sind Sie? Was für Erfahrungen, was für Gefühle haben Sie von Ihren Auslandreisen mitgenommen? Was wäre am besten?

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