Locomore – Wie alles begann und die neue Zukunft.

Mrz 18, 2018 | Personenverkehr

In knapp einer Woche startet Flixtrain mit zwei Verbindungen und tritt somit gegen den Fernverkehrsmonopolisten Deutsche Bahn an.
Die Liste der Privatbahnen im europäischen Nah- und Fernverkehr ist lang und wächst stetig weiter. Doch eine Bahn ist seit langem in aller Munde. Zunächst als erste Crowdfunding-Bahn, als Alternative zur Deutschen Bahn (DB), als reelle Bedrohung für die DB, durch die eigene Insolvenz, die Übernahme durch Flixbus und nun durch den neuen Flixtrain.
Was steckte hinter Locomore? Wer waren und sind die Verantwortlichen, was trieb die Gesellschaft in die Insolvenz und wie sieht die neue Zukunft aus?


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Das Crowdfunding-Projekt

Locomore wurde 2007 von Derek Ladewig mit dem Ziel gegründet, eine Angebotsalternative zur alteingesessenen Staatsbahn (DB) zu schaffen. Der Initiator und Mehrheitseigentümer von Locomore, Herr Ladewig, ist Verwaltungswissenschaftler und sein Berufsleben war und ist geprägt durch Bahn und Verkehr. Er war unter anderem Bahnreferent im Deutschen Bundestag.
Derek Ladewig war auch bei der Gründung des Hamburg-Köln-Express (HKX) Initiator. Aufgrund abweichender Strategievorstellungen eines amerikanischen Investors und der Geschäftsführung, hat sich 2012 ein Teil des HKX-Teams abgespalten und ist zu Locomore gewechselt. Somit wurden 17,5 % HKX‑Anteile, die sich im Besitz von Locomore befanden, an HKX abgetreten. [note] Vgl.: https://de.finance.yahoo.com/nachrichten/locomore-pleite-deutschen-bahn-schaden-155210234.html Zugegriffen, am 14.05.2017 [/note]

Die Startup-Bahn ist mit vielen Zielen angetreten. Vor allem wollte die Geschäftsführung eine Alternative zur Deutschen Bahn schaffen und gleichzeitig mehr Menschen dazu bewegen, auf die Schiene umzusteigen.
Das Besondere gleich zu Anfang war das Finanzierungsmodell der Privatbahn.
Das Rollmaterial, die Schienenmaut, sowie Marketing und Verwaltung wurden mittels Crowdunding finanziert.

Crowdfunding ist eine Form der Finanzierung („funding“) durch eine Menge („crowd“) von Internetnutzern. Zur Spende oder Beteiligung wird über persönliche Homepages, professionelle Websites und spezielle Plattformen aufgerufen.  [note] Vgl.: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/locomore-und-die-deutsche-bahn-die-luege-vom-wettbewerb-auf-der-schiene-a-1147363.html Zugegriffen, am 13.05.2017 [/note]

Viele mutige Unterstützer brachten bis März 2017 EUR 928.000,– auf.

Mit einer angemieteten E-Lok von HectorRail und 9 alten, jedoch umgebauten und neu ausgestatteten InterCity-Wagen ging Locomore beim Fahrplanwechsel 2016 an den Start.
Betrieben wurde der Zug zu 100 % mit Ökostrom aus Deutschland.

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Kreative Ideen und Expansionspläne

Der Zug war mit Reisegeschwindigkeiten bis zu 200 km/h, Steckdosen, WLAN und außerdem Fahrradstellplätze und genügend Platz für großes Gepäck durchaus konkurrenzfähig mit den modernen InterCity-Zügen der DB. [note] Vgl.: https://www.vcd.org/themen/bahn/2017-bahn-als-zugpferd-der-verkehrswende/ [/note]

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Es gab 2 Reiseklassen:

Den Basic-Tarif mit Themenabteils, in denen man mit Gelichgesinnten und anregenden Gesprächen die Zugfahrt verbringen konnte. Zudem gab es die Möglichkeit, im offenen Abteil oder im extra großen und mit Spielzeug ausgestatten Familienabteil zu reisen. [note] Vgl.: https://www.vcd.org/themen/bahn/2017-bahn-als-zugpferd-der-verkehrswende/ [/note]

Der Business-Tarif überzeugte mit mehr Platz, einer Tageszeitung, einem Komfortkissen und einem Snack mit Getränk ab 60 Minuten Reisezeit.
Das besondere bei der Verpflegung an Board: Es war ausschließlich Biokost. [note]  http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/crowdfunding.html  Zugegriffen, am 12.05.2017 [/note]

Locomore fuhr zwischen Berlin und Stuttgart, jedoch nur einmal am Tag, hin und retour. Um 06:21 Abfahrt in Stuttgart Hbf. und nach ungefähr einer Stunde Aufenthalt nach der Ankunft in Berlin-Lichtenberg um 14:28 die Rückfahrt. Locomore stellte nach den ersten Monaten auf Betrieb an nur 6 Tagen in der Woche um. Mittwoch wurde für ausführliche Reinigung und Wartung verwendet. [note] Vgl.: https://locomore.com/de/zug/ Zugegriffen, am 12-05.2017 [/note]
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Die in der oberen Grafik strichliert dargestellten Strecken wären geplante Strecken für 2018 gewesen. Locomore hat zu diesem Zeitpunkt auch noch weitere Wagen für ihren Zug angemietet, um endlich Angebot für die steigende Nachfrage zu schaffen. Zudem hat man eifrig Expansionspläne vorgestellt und weiter Strecken geplant, auf denen man der DB Konkurrenz machen wollte.
Man berichtete auch bereits von vielen Stammkunden und dass man an starken Reisetagen bis zu 1000 Passagiere befördere. [note] Vgl.: https://locomore.com/de/basic/ Zugegriffen, am 12.05.2017 [/note]

Der Anfang vom Ende

Locomore hatte aber auch mit vielen Problemen zu kämpfen: Betriebsmeldungen, die vom Ausfall planmäßiger Halte, defekten Toiletten und manchmal stundenlangen Verspätungen berichteten.

Am 11.05.2017 war dann auch die letzte Euphorie um die Privatbahn vorbei. Nach gut 5 Monaten wurde am Amtsgericht Charlottenburg der Insolvenzantrag eingereicht.
In der Stellungnahme von Locomore hieß es wortwörtlich:

„Sowohl die Anzahl der Fahrgäste als auch die Einnahmen pro Fahrgast sind zwar kontinuierlich angestiegen, aber nicht schnell genug, um vollständig kostendeckend zu arbeiten. Unsere finanziellen Reserven sind nunmehr aufgebraucht, so dass wir uns zu diesem Schritt gezwungen sahen. Gestern Abend hat nach fortgeschrittenen Verhandlungen dann noch ein Investor abgesagt, dessen Engagement die Insolvenz abgewendet hätte.“ [note] Vgl.: https://locomore.com/de/business/ Zugegriffen, am 12.05.2017 [/note]

Locomore hat gezeigt, dass es wirklich sehr schwer ist, gegen eine Staatsbahn anzutreten. Auch wenn die DB selbst mit sehr vielen Problemen zu kämpfen hat und viele meinen, es wäre deshalb leicht gegen die Deutsche Bahn zu bestehen.

Warum kam es zur Insolvenz?

Man darf jedoch nicht vergessen, dass Locomore im DB-Netz fuhr und man auf der Schiene nur so zuverlässig ist wie das benutzte Netz.
Hinzu kommt die Schienenmaut an DB-Netze. Mehr als jeden vierten Euro musste die Crowdfunding-Bahn an die Tochter der Deutschen Bahn abgeben. [note] Vgl.: https://locomore.com/de/fahrplan/ Zugegriffen, am 12.05.2017 [/note]
Laut Schätzungen aus dem Spiegel beliefen sich die Trassengebühren für Locomore auf EUR 6000,– pro Tag. [note] Vgl.: https://mobilitymag.de/locomore-bilanz/ Zugegriffen, am12.05.2017 [/note]
Anlässlich der Insolvenz hat sich auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) für eine Halbierung der Schienenmaut ausgesprochen. Sowohl im Güterverkehr als auch im Fernverkehr würde dies zu mehr Angebot auf der Schiene und der allseits gewünschten Verkehrsverlagerung beitragen. [note] Vgl.: https://mobilitymag.de/locomore-bilanz/ Zugegriffen, am12.05.2017 [/note]
Vielleicht wäre der Bahnkonkurrent nie in finanzielle Nöte geraten, wenn die Trassenpreise niedriger gewesen wären. Vielleicht hätte sich die Insolvenz aber auch nur nach hinten verschoben.

brooks_loco

Ich hatte die Möglichkeit Nick Brooks, Board Director bei Allrail und ehemaliger Business Developer bei der Privatbahn HKX, zu der Pleite der Privatbahn persönlich zu befragen: „ Ein großes Problem bei der Locomore, und das hat auch Derek Ladewig gesagt, war der Vertrieb. Die Startup-Bahn war mit dem Vertrieb auf sich selbst gestellt: Die DB hat in ihrem Vertriebssystem keine Locomore Tickets angeboten und die private Konkurrenz konnte auch keine kombinierten Tickets mit der DB anbieten. Somit war Locomore wie eine Insel im deutschen Bahnsystem. Andererseits waren die finanzielle Mittel begrenzt und somit wäre es extrem schwierig gewesen, ein eigenes Vetriebssystem aufzubauen, mit eigenen Automaten oder Kundenservice am Bahnhof.“

Nick Brooks ist auch auf Twitter!

Zudem darf man nicht vergessen, dass die DB ein gut vernetzter Konzern und einer der größten Mobilitätsdienstleister der Welt ist. Die Deutsche Bahn bietet ein großes Netz im Fernverkehr sowie Nahverkehrszüge. Außerdem kann der Bahnkonzern durch seine internationalen Partnerschaften auch grenzüberschreitende Verkehre anbieten und in sein Netz einflechten.
Gegen so einen Konzerngiganten anzutreten ist nervenaufreibend und kapitalintensiv.
Als Privatbahn kann man nur versuchen, dem staatlichen Monopolisten Kunden abzujagen oder eben „Bahnfremde“ auf die Schiene zu bringen.
niki_loco
Locomore hat beides im Ansatz gut gemacht, aber einfach zu wenige Menschen erreicht. Eine Hinfahrt und eine Rückfahrt pro Tag  und dies nur 6 Tage in der Woche ist meines Erachtens kein Mobilitätsangebot, sondern eher eine Attraktion, um nicht zu sagen Kuriosität.
Nur wer wirklich einen dichten Takt anbietet, kann auch im großen Stil Kunden von den Monopolen der Staatsbahnen abwerben.
Ich hätte es auch für sinnvoller gehalten, die Expansionspläne anfangs eher in Richtung Angebotsausbau der bestehenden Strecke gehen zu lassen.

Zudem sind alte/gebrauchte Garnituren wartungsintensiv und störungsanfällig, was den Wartungstag notwendig machte. All diese Dinge wirken sich in der Kundenzufriedenheit und in der Bilanz einer Bahn natürlich aus.
Nichtsdestotrotz braucht es wirklich Mut, gegen die Deutsche Bahn anzutreten, chapeaux! Und ich persönlich finde das aktuelle Scheitern von Locomore mehr als schade.
Trotz allem sind Privatbahnen eine Bereicherung für den Kunden, denn Wettbewerb wirkt sich positiv auf den Preis aus. Vor allem die großen Player auf der Schiene werden in ihrer Preisgestaltung oft von den kleinen Konkurrenten wachgerüttelt. Auch das Ansprechen bestimmter Zielgruppen kann neue Kunden auf die Schiene bringen, was für eine klimafreundliche Politik schlussendlich auch zielführend wäre.

Die neue Zukunft von Locomore

Die weitere Zukunft von Locomore war eine Zeit lang ungewiss. Der Betrieb war auch kurzzeitig unterbrochen, jedoch gab man die Chance auf ein Comeback nie auf.
Im August 2017 kündigte Flixbus gemeinsam mit der tschechischen Privatbahn LeoExpress eine Übernahme an. Man hat Locomore in das eigene Vetriebssystem integriert und schaffte eine Ergänzung zum Fernbusnetz. Mit Billigtickets ab 5 Euro ging man an den Start, der Name blieb jedoch bestehen.

Am 24. März dieses Jahres verschwindet der Name Locomore nun endgültig von den deutschen Schienen. Es startet Flixtrain mit zwei Linien, zwischen Hamburg und Köln (ehemals HKX-Train) und zwischen Berlin und Stuttgart. Flixmobility möchte der DB mit ihren Zügen ordentlich einheizen und mit Billigtickets ihre Bahn füllen. Eine Vernetzung mit dem Fernbusnetz ist für Flixbus ganz wichtig, deshalb sind an den Bahnhöfen die Fenrbusse an den Flixtrain getaktet.

Ich glaube, dass das Marketing und das Vetriebssystem des Fernbusgiganten eine gute Basis für die neue Privatbahn ist. Dass die Deutsche Bahn in Bedrängnis gerät, bezweifle ich aber, da Flixtrain pro Tag und Richtung nur einen Zug fahren wird, auch wenn die Preise den einen oder anderen Kunden der DB zum Umstieg bewegen können.

Ich wünsche Flixtrain alles Gute und bin gespannt, wie sich der deutsche Schienenfernverkehr weiterentwickelt.

 

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