Bahner im Gespräch zum Thema Privatisierung

Dez. 3, 2017 | Innovation, Interviews, Personenverkehr

Ende der Direktvergabe, Privatisierung, Milliardenloch. All diese Begriffe tauchen in der Öffentlichkeit auf, wenn über die Bahn und ihre Zukunft gesprochen wird. Gerade in Zeiten, wo sowohl in Deutschland als auch in Österreich Regierungsbildungen bzw. Koalitionsverhandlungen stattfinden, hat die Bahn an Brisanz gewonnen. Jede Partei bzw. Interessensvertretung hat eine andere Wertvorstellung der Bahn und ein anderes Bild der zukünftigen Mobilität. Deshalb sind gerade im Zuge eines Regierungswechsel einige Änderungen zu erwarten.
Doch was sagen die Experten, Insider und Unternehmen aus der Bahnbranche zum Thema Privatisierung?

Bevor wir loslegen noch der Link zu den ersten beiden Teilen der Beitragsreihe:
Bahner im Gespräch Teil 1
Bahner im Gespräch zum Thema Nachtzug

Welche Effekte würden Sie erwarten, wenn man staatliche Bahnbetreiber privatisieren würde? Und würden Sie sich für solch ein Vorhaben einsetzen?

Bahner im Gespräch Teil 3 Klaus Garstenauer
Klaus Garstenauer – Leiter Nah- und Regionalverkehr ÖBB

Privatisierung ist zunächst eine Frage des „ob“, dann aber vielmehr eine des „wie“. Klar ist, dass der Schienenpersonenverkehr einer Regulierung bedarf, ganz egal, ob er mit Steuermitteln bezuschusst werden muss, oder nicht. Schieneninfrastruktur kann nur in einer zentral gelenkten Weise genutzt werden, und eine optimale Nutzung dieser sehr kostspieligen und kostbaren Kapazitäten ist nur durch einen systematisierten Taktfahrplan auf Grundlage von symmetrischen Fahrlagen möglich. Und nur ein integrierter Taktfahrplan sorgt für ein attraktives Angebot mit entsprechender Breitenwirkung (siehe Schweiz et al.). Daher kann man Teile des Bahnsystems wohl auch privatisieren, eine öffentlich regulierte Systemführung wird aber bestehen bleiben müssen. DB und ÖBB vereinen aus ihrer Tradition heraus immer noch viele Aspekte der Systemführerschaft in sich, mit einem tief verinnerlichten, öffentlichen Auftrag. Eine undurchdachte Privatisierung um ihrer selbst willen birgt meines Erachtens große Risiken. Als Angestellter der ÖBB steht es mir aber nicht zu, Wünsche über die Eigentümerstruktur meines Arbeitgebers zu äußern, das ist letztlich eine Frage politischer Willensbildung.

Klaus Garstenauer ist auch auf Twitter!

Bahner im Gespräch Teil 3 Dirk Flege

Dirk Flege – Geschäftsführer Allianz pro Schiene

Die Trennung von Netz und Betrieb ist keine Forderung der Allianz pro Schiene. Wir wünschen uns von der Politik, dass sie erst einmal eine klare Vorstellung entwickelt, wo sie mit ihrer Eisenbahn hin will. Leider ist die Frage alles andere als trivial und ohne klare Antwort darauf verschleißen wir uns nicht mit Organisationsdebatten, die vom Kern des Problems ablenken: Deutschland hat für die Schiene seit Jahrzehnten keine Vision.

Folgt Dirk Flege und Allianz pro Schiene  auf Twitter!

Bahner im Gespräch Teil 3 Tim Grams

Tim Grams, „der bloggende Bahner“ – Bahnblogger und Social Media Redakteur bei DB Vertrieb GmbH

Ich möchte in diesem Fall gar nicht über Effekte sprechen. Ich glaube, dass es solch ein Vorhaben nicht braucht, weil ich nicht glaube, dass es etwas verbessern würde.
Die aktuelle Situation ist mit entsprechenden finanziellen Mitteln und Unterstützungen ohne Probleme zu verbessern und bietet große Möglichkeiten für die Schiene. Nicht nur in Deutschland, sondern in Europa.

Besucht Tim auf seinem Blog und folgt ihm auf Twitter !

Wie sehen das eigentlich andere Mobilitätsbranchen…?

Bahner im Gespräch Teil 3 Kai Neumann

Kai Neumann – Referent Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer

Grundsätzlich macht es für uns keinen Unterschied, wie die Bahnbetreiber organsiert sind, ob nun privatwirtschaftlich, teilweise in staatlichem Besitz oder vollkommen in öffentlicher Hand. Für die Busbranche ist vielmehr von Interesse, dass faire Wettbewerbsbedingungen im öffentlichen Verkehr herrschen. Und hier sehen wir Versuche, das existierende System des eigenwirtschaftlichen Fernverkehrs zum Nachteil der Busse zu verändern. Die Nutzung von Verbundtickets in Fernverkehrszügen ist zwar für den Fahrgast komfortabel, bedeutet jedoch eine Subventionierung des Fernverkehrs durch Regionalisierungsmittel. Hier müssen wir aufpassen, dass es nicht still und heimlich zu einem Systemwechsel kommt, der zu Lasten des eigenwirtschaftlich fahrenden Fernbusses geht.

Folgt Kai Neumann auf Twitter!

Bahner im Gespräch Teil 3 Thomas Posch

Thomas Posch – CCO Westbahn

Ja! Privatisierung, aber NUR Personenverkehr. Infrastruktur muss staatlich bleiben. Man hat in Großbritannien gesehen wohin das geführt hat. Ich finde, dass die Debatte rund um das Thema „Ende der Direktvergabe“ auch falsch geführt wird. Wir als private Betreiber setzen uns nur für einen freien Wettbewerb im Verkehr ein, es geht hier nicht um Privatisierung der Infrastruktur.

Wenn ihr mehr von Thomas Posch in den sozialen Medien lesen wollt, dann müsst ihr wohl eure #followerpower einsetzen und @Westbahn1 auf Twitter beknien, ihn ab und zu direkt zu Wort kommen lassen :-).

Bahner im Gespräch Teil 3 Benedikt Weibel

Dr. Benedikt Weibel – ehemaliger Chef der SBB und Aufsichtsratmitglied der Westbahn

Ich bin ein kategorischer Gegner der Privatisierung, denn es ist absolut unsinnig. Privatisieren kann man Dinge die am Markt eine Rendite einfahren, aber das macht keine europäische Bahn. Es gibt eine europäische Bahn, die sich beinahe kaputt gemacht hat, das ist die Deutsche Bahn. Die kämpft heute noch mit der unsinnigen Idee, die ein Kollege von mir hatte.

Bahner im Gespräch Teil 3 Bernhard Rieder

Bernhard Rieder – Pressesprecher ÖBB Holding

Für uns ist ganz wichtig, dass bei allen Diskussionen der Fahrgast im Mittelpunkt steht.
In Österreich haben wir einen integrierten Taktfahrplan, das heißt das gesamte Bahnnetz in Österreich ist aufeinander abgestimmt und wir haben eine sogenannte Vernetzung in der Fläche, was uns als ÖBB sehr wichtig ist. Wir sehen es daher als durchaus kritisch, wenn im Zuge der Trassenvergabe Punkt zu Punkt Verkehre bevorzugt werden und sich für Fahrgäste, die nicht auf dieser Hauptstrecke unterwegs sind, Verschlechterungen ergeben.

Hier könnt ihr mehr von Bernhard Rieder lesen.

Das Schlusswort hab natürlich ich 😉

Bahner im Gespräch Teil 3 Niki Schmölz

Niki Schmölz

Eines ist völlig klar, die Infrastruktur, sprich Bahnhöfe, Gleisanlagen usw., dürfen nicht privatisiert werden. Denn ein Schienennetz kann man nur sehr selten rentabel betreiben, das heißt hier muss der Staat subventionieren, bzw. investieren. Diese Investitionen sind auch keine Budgetlöcher, wie sie so oft bezeichnet werden, sondern gemeinwirtschaftliche Leistungen. Eine gute verkehrliche Vernetzung Österreichs in der EU und schnelle, zuverlässige und sichere Mobilität von Personen und Gütern, kommt der Wirtschaft und der gesamten Bevölkerung zugute. Außerdem profitieren die heimische Bahnindustrie und ihre Zulieferer sowie die Baubranche, und somit werden jährlich tausende Arbeitsplätze gesichert.
Über einen freien Markt auf der Schiene kann man diskutieren, für mich muss aber in jeder Situation gelten, dass keine Nachteile für die Bevölkerung sowie Kunden und Kundinnen entstehen.
Ein freier Markt kann nur dann existieren, wenn der Staat und seine Institutionen den Verkehr auf der Schiene akribisch beobachten und lenken. Es müssen Sicherheit, ein breites Angebot, Zuverlässigkeit und preisliche Verträglichkeit für Fahrgäste sichergestellt sein.
 

Diesen Artikel auf Social Media teilen:

Ähnliche Artikel

Condor und DB bauen Zusammenarbeit aus

Condor und DB bauen Zusammenarbeit aus

Reisende mit Condor-Langstreckenflügen ab Frankfurt können sich auf eine noch einfachere Anreise freuen! Die Deutsche Bahn (DB) und die Airline...