Bei der diesjährigen Auflage meiner Beitragsreihe „Bahner im Gespräch“ werden führende Entscheidungsträger, ExpertInnen und InsiderInnen zu verschiedenen Themen rund um Digitalisierung, autonomes Fahren, Wettbewerb auf der Schiene und Fitnessstudios im Zug befragt.
Mit Carmen Maria Parrino, die seit 2018 die Vorsitzende der Geschäftsführung von Abellio Rail Mitteldeutschland ist, konnte ich eine echte Topmanagerin aus der deutschen Bahnbranche für meine Beitragsreihe gewinnen.
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Ich freu mich sehr, dass sich Carmen Parrino die Zeit für das Interview genommen hat, und ich möchte mich dafür nochmals sehr herzlich bedanken!
Hier könnt Ihr Carmen Parrino auf Twitter folgen.
Wenn Autos, Busse und LKWs auch autonom unterwegs sind und somit deutlich bessere Leistungen bringen können, was ist dann der Platz der Bahn in der Mobilität?
Immer noch die Nummer Eins. Ich möchte es nicht am autonomen Fahren diskutiert sehen, sondern an der (Aus-)Nutzung des jeweiligen Verkehrsmittels. Ganz gleich, ob das Auto herkömmlich oder autonom bewegt wird, wie viele Personen werden als Insassen gezählt. Ähnlich sehe ich es im Güterverkehrssektor, der LKW kann das Volumen der Schiene nicht abdecken.
Wie sieht für Sie die Bahn der Zukunft aus? Hyperloop oder doch die klassische Schiene?
Vielleicht sogar beides? Unser Schienennetz ist heute dauerbelastet. Ob es einen weiteren Ausbau in der klassischen Schiene geben kann – nur vor dem Hintergrund der nötigen Fläche – ist für mich fraglich. Somit braucht es Alternativen.
Die Deutsche Bahn hat vor 2 Jahren den Ideenzug präsentiert: Sind Fitnessgeräte, ein Public Viewing Bereich und Einzelkabinen Teil eines modernen Zuges?
Als ich den Zug erstmalig auf der InnoTrans in Berlin in Augenschein genommen habe, habe ich mich gefragt, welche Bedürfnisse von welchen Fahrgästen eingeflossen sind. Bevor es Fitnessgeräte im Zug gibt, würde ich mir mehr Rückzugsmöglichkeiten für Geschäftsreisende wünschen.
Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um die Eisenbahn fit für die Zukunft zu machen und wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Verkehrsträger Schiene?
Hier kann ich nur für Deutschland sprechen: alle Verkehrsmittel nutzen die gleiche Schiene, Nah-, Fern- und Güterverkehr. Allein die Schnelligkeit des jeweiligen Verkehrsträgers ist unterschiedlich und braucht eine Menge Aufmerksamkeit. Ergo, es braucht Digitalisierung, stabile Verdichtung und damit Verlässlichkeit für alle.
Wie glauben Sie, dass die Bahn Teil eines modernen Lebensstils werden kann?
Aus meiner Sicht ist zu beachten, dass wir Komplexität abbauen (Einstiegshürden, wie den Tarifdschungel) und Vernetzung von Mobilitätsträgern (Auto, Fahrrad, Bus, Laufen, etc.) großschreiben. Nur wenn die gefühlte Individualität und die Flexibilität bestehen bleiben, wird die Veränderung der Mobilität im Alltag funktionieren.
Vor dem Hintergrund von Automatisierung, Digitalisierung und IoT: Wie sehen bei der Bahn die Jobs der Zukunft aus?
Ich denke, dass es uns gelingen muss, kunden- und damit fahrgastorientierter zu denken und zu handeln. Bei allen von Ihnen genannten Fortschritten werden Kinder, Schüler/innen, ältere Menschen (gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels), mobilitätseingeschränkte Menschen unser System nutzen. Sie brauchen Hilfe und einen verlässlichen Partner. Selbstverständlich wird die Automatisierung und Digitalisierung nicht aufzuhalten sein, dennoch ist fahrgastorientierter Service nicht zu verachten.
Wo sehen Sie Chancen und Herausforderungen bei freiem Wettbewerb auf der Schiene?
Aus meiner Sicht das Positive zuerst: Das nutzbare Angebot für den Fahrgast wird bei freiem Wettbewerb ausgebaut. Neue Züge, technische Neuerungen wie WLAN oder Steckdosen, Informationen in den Zügen zu Anschlüssen an den Haltestellen, etc. sind für den Fahrgast ein echter Mehrwert. Sicherlich auch die entsprechenden Takte, Linien und zeitliche Ausweitungen bei Neuausschreibungen.
Die Herausforderungen sind vielfältig: Jeder Mitbewerber braucht Platz, nicht nur auf der Schiene sondern auch in allen Auskunftsmedien. Die Koordination aller ist deutlicher diffiziler und bedarf eines guten Überblicks: Keiner soll/darf bevorteilt oder benachteiligt werden. Schlägt, z. B., der vermeintlich schneller fahrende Zug den langsameren? Sind die Mitbewerber „nur“ betrieblich oder auch vertrieblich vertraglich gebunden? Letzteres hat zur Folge, dass sich mehrere Unternehmen um einen Fahrgast bemühen. Und letztlich sollte sich alles an den Bedürfnissen des Fahrgastes orientieren.
Wie sehen Sie die Preisgestaltung im öffentlichen Verkehr? Ist billiger besser oder müsste er überhaupt gratis sein?
Was nichts kostet, hat keinen Wert! Wir sollten über vergleichbare Werte sprechen: Was kostet der Individualverkehr inkl. der Abgaswerte und –vergleichbar – was kostet der öffentliche Verkehr? Und wenn eine solche Transparenz vorliegt, können wir über die Gestaltung der Preise im ÖV sprechen. Außerdem wünsche ich mir, dass wir nicht ausschließlich über Preise sprechen, sondern über den ökologischen Mehrwert – persönlich wie gesellschaftlich.
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