Bahner im Gespräch: FH-Prof. Dipl.-Ing. Otfried Knoll

Jan 30, 2020 | Interviews

Bei der diesjährigen Auflage meiner Beitragsreihe „Bahner im Gespräch“ werden führende Entscheidungsträger, ExpertInnen und InsiderInnen zu verschiedenen Themen rund um Digitalisierung, autonomes Fahren, Wettbewerb auf der Schiene und Fitnessstudios im Zug befragt.
Mit Otfried Knoll, Departmentleiter für Bahntechnologie und Mobilität auf der FH- Sankt Pölten, konnte ich einen echten Bahnexperten für meine Beitragsreihe gewinnen.


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Bahner im Gespräch mit Markus Ossberger (Wiener Linien)
Bahner im Gespräch mit Abellio Rail CEO Carmen Parrino
Bahner im Gespräch mit Westbahn CEO Erich Forster

Ich freu mich sehr, dass sich Otfried Knoll die Zeit für das Interview genommen hat, und ich möchte mich dafür nochmals sehr herzlich bedanken!

Wenn Autos, Busse und LKWs auch autonom unterwegs sind und somit deutlich bessere Leistungen bringen können, was ist dann der Platz der Bahn in der Mobilität? 

Ob autonomes Fahren gleichbedeutend mit besserer Leistung ist, wurde noch nicht bewiesen. Für eine Infrastruktur, die dafür erst geschaffen werden muss, wird auch ein Benützungsentgelt zu entrichten sein. Das wird vermutlich zu einer Verteuerung der Verkehrsleistung führen, die Ersparnisse bei Ruhezeiten usw. egalisieren könnte. Wo der Platz der Bahn in der Mobilität ist, wird sich dadurch nicht stark ändern, denn Bahnen könnten heute bereits autonom fahren, sofern das gesellschaftlich akzeptiert wäre. Sobald autonomes Fahren auf der Straße tatsächlich sicher und akzeptiert ist, wird dies auch bei der Bahn der Fall sein. 

Wie sieht für Sie die Bahn der Zukunft aus? Hyperloop oder doch die klassische Schiene? 

Beides. Die Schweiz denkt über ein Gütertransportsystem in Vakuumröhren ernsthaft nach. Auch hier gilt: Sobald ein prototypisches, aber einen realen Nutzen (von A nach B) erzeugendes Beispiel längere Zeit unfallfrei existiert, wird die Akzeptanz in der Gesellschaft steigen. Es sei in diesem Zusammenhang an die euphorischen Erwartungen an die Magnetschwebetechnik in Deutschland und deren abruptes Ende erinnert.

Die Deutsche Bahn hat vor 2 Jahren den Ideenzug präsentiert: Sind Fitnessgeräte, ein Public Viewing Bereich und Einzelkabinen Teil eines modernen Zuges? 

Ich denke, dass es auf künftigen Langstreckenreisen mit Hochgeschwindigkeitszügen – etwa Paris – Wien oder Wien – Istanbul als Ersatz für Binnenflüge durchaus einen Bedarf dafür geben wird. Die Menschen wollen Convenience – warum sollte man sie nicht bieten?  

Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um die Eisenbahn fit für die Zukunft zu machen und wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Verkehrsträger Schiene? 

Eine viel konsequentere Orientierung an Kundenerwartungen und weg von einer Rechtfertigungskultur, die ausschließlich an betrieblichen „Zwängen“ orientiert ist. Dass Anschlusszüge keine Anschlüsse mehr abwarten dürfen, um die Verspätungsstatistik zu schönen und Pönalen zu vermeiden, markiert in Kombination mit der jährlich überproportionalen Preiserhöhung von Netzkarten einen aktuellen Tiefpunkt in der Kundenorientierung.  

Wie glauben Sie, dass die Bahn Teil eines modernen Lebensstils werden kann? 

Im Lokalverkehr mit ausreichend hoher Frequenz in den Tagesrand- und Wochenendzeiten. Die Schweiz zeigt es vor. Natürlich auch mit einer Fahrzeugausstattung, die auf diesen Lebensstil abgestimmt ist und ihm nicht hinterherhinkt. 
 

Vor dem Hintergrund von Automatisierung, Digitalisierung und IoT: Wie sehen bei der Bahn die Jobs der Zukunft aus? 

Die Bahn braucht Systemversteher, die über Schnittstellen und Organisationsbereichsgrenzen hinaus zu denken bereit sind. An der Fachhochschule St. Pölten werden diese künftigen Führungskräfte im Department Bahntechnologie und Mobilität hierfür gezielt ausgebildet. 

Wo sehen Sie Chancen und Herausforderungen bei freiem Wettbewerb auf der Schiene? 

Wettbewerb bietet überall Chancen, wenn Chancengleichheit gegeben ist. Diese in einem regulierten System herzustellen, ist eine der großen Herausforderungen. Open Access allein ist zu wenig. Vor allem Ausbildung und Zugang zu den Teilsystemen und Ausbildungseinrichtungen müssen fair gemanagt werden. 

Wie sehen Sie die Preisgestaltung im öffentlichen Verkehr? Ist billiger besser oder müsste er überhaupt gratis sein? 

Man sagt, was nichts kostet sei nichts wert. Allerdings gibt es in einigen europäischen Ländern einen durchaus differenzierten Zugang zum Thema „Freifahrt“. Jugendliche und Senioren per Gratiszugang an den ÖV zu gewöhnen bzw. zu binden, macht Sinn. In Konkurrenz mit dem Pkw darf aber ein ÖV-System hoher Qualität – und das ist Voraussetzung – auch etwas kosten. Faire Jahresgebühren sollten dazu führen, Anreize auch in der altersmäßigen Mittelschicht zu setzen. Reale CO2-Boni bei nachgewiesen intensiver ÖV-Nutzung könnten die derzeit einseitig geführte Diskussion entkrampfen.  

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