Bahner im Gespräch zum Thema Großprojekte auf der Schiene

Jan 7, 2018 | Infrastruktur, Innovation, Interviews

Auf Europas Schienen ist Baustelle – auf Eröffnungsfeiern von Projekten folgen Spatenstiche für neue. Tunnel, Bahnhöfe, Hochgeschwindigkeitsstrecken, an der Zukunft des Bahnverkehrs wird fleißig gebaut. Diese Projekte stehen sehr oft auch stark in der Kritik, hohe Kosten, lange Bauzeiten, während der Bauarbeiten Einschränkungen für den laufenden Bahnverkehr und zu wenig Nutzen. Wie sehen die Experten und Insider diese Projekte und warum sind sie so wichtig?

Hier geht es zu den ersten Teilen der Beitragsreihe:
Bahner im Gespräch Teil 1
Bahner im Gespräch zum Thema Nachtzug
Bahner im Gespräch zum Thema Privatisierung
Bahner im Gespräch zum Thema junge Menschen und die Bahn

Finden Sie die Milliardeninvestitionen in Großprojekte, wie VDE8, Gotthardtunnel, Brennertunnel, Stuttgart 21, usw. richtig, oder denken Sie, dies sind lediglich Prestigeobjekte und es wäre auch mit weniger „mehr“ möglich?

Klaus Garstenauer – Leiter Nah- und Regionalverkehr ÖBB

Derartige Großprojekte bewegen sich zwangsläufig jenseits von konventionellen, betriebswirtschaftlichen Maßstäben und bedürfen – da öffentlich finanziert – eines breiten gesellschaftlichen Konsenses und vor allem eines langen Atems. Sie sind dann keine Prestigeprojekte, wenn sie sich in eine langfristige Systementwicklung einfügen, d.h. einen integrierten Taktfahrplan auf ein höheres Systemniveau führen. Dann können sie eine breite Nutzenwirkung entfalten und sich über Generationen rentieren. Die Erfahrung zeigt, dass eine intensive begleitende Kommunikation erfolgskritisch ist. Wenn entgegenstehende Interessen nicht ausreichend berücksichtigt werden, finden sie in einer demokratisch verfassten Gesellschaft eine Artikulationsmöglichkeit und das muss auch so sein. Diese grundlegende „Spielregel“ muss im Projektmanagement beachtet werden. In Österreich war eine interessante Entwicklung zu beobachten. Solange an den Großprojekten nur gebaut wurde, war die Kritik daran ein steter Begleiter. Seit die neue Weststrecke eine Fahrzeit von 2:22 ermöglicht, wird die Fertigstellung der Großprojekte Semmeringbasistunnel und Koralmtunnel fast schon herbeigesehnt und auch der Brennerbasistunnel wird ganz anders betrachtet, wenn er nicht nur einem anonymen Güterverkehr dienen soll, sondern auch Nord- und Südttirol in den Reiseverkehr integrieren wird.

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Dirk Flege – Geschäftsführer Allianz pro Schiene

Dass ein Bauwerk „Großprojekt“ heißt, bedeutet nicht automatisch, dass es gut ist. Aber umgekehrt folgt daraus genauso wenig, dass es schlecht sein muss. Den Gotthardtunnel würde ich zum Beispiel immer verteidigen, während ich bei anderen Vorhaben weniger enthusiastisch bin. Das hängt, wie bei allen wirklich interessanten Fragen im Leben, am Einzelfall. Deshalb ist die Infrastrukturplanung ja auch eine so große Kunst: Sie verlangt Augenmaß und Realismus, aber zugleich auch Weitblick und Großzügigkeit.

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Tim Grams,“der bloggende Bahner“ – Bahnblogger und Social Media Redakteur bei DB Vertrieb GmbH

Von Prestigeobjekten würde ich hier ganz klar Abstand nehmen. Natürlich freuen sich alle beteiligten Unternehmen, wenn das Projekt erfolgreich umgesetzt wird. Allerdings werden die Riesenprojekte umgesetzt, um einen Mehrwert zu bieten und etwas zu verbessern. Vor allem am Beispiel VDE8 (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit) sieht man, warum das Dranbleiben bei diesen Projekten so wichtig ist.

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Bernhard Rieder – Pressesprecher ÖBB Holding

Bahn ist dort erfolgreich, wo das Angebot stimmt, und für das richtige Angebot müssen die Rahmenbedingungen passen. Für den Personenverkehr bedeutet das Reisezeitverkürzung und Komfort. Wenn wir uns die Reisezeiten zwischen Wien und Linz beziehungsweise Salzburg anschauen, dann braucht man nicht überlegen, ob man mit dem Fernbus oder dem Auto schneller ist, denn die Bahn ist hier unschlagbar. Wenn man mit dem Auto jetzt nach Klagenfurt fährt braucht man weniger als 3 Stunden, mit dem Zug etwa 4 Stunden. Da ist der Anreiz für den Zug einfach geringer.
Verkehr kann nur erfolgreich sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die stimmen auf der Weststrecke aber nicht in den Süden. Und dies gilt sowohl für den Personenverkehr mit langen Reisezeiten als auch für den Güterverkehr mit Bergstrecken, wo man Tonnagen-Beschränkungen hat oder zusätzliche Schubloks braucht.
Die Leistung der Südstrecke wird durch die Projekte massiv angehoben und das Angebot für Reisende und Transporteure stark verbessert!

Hier könnt ihr mehr von Bernhard Rieder lesen.

Thomas Posch – CCO Westbahn 

Meiner Meinung nach ist der Semmering für die Verknüpfung von Graz und Wien extrem wichtig, Gotthard ist für den internationalen Bahnverkehr wichtig! Brenner und Koralm ist für mich, aus Sicht des Personenverkehrs, nicht notwendig. Stuttgart 21, also das Gesamtprojekt rund um Stuttgart ist enorm wichtig in meinen Augen, gerade wenn wir Fahrzeitverkürzungen betrachten.

Wenn ihr mehr von Thomas Posch in den sozialen Medien lesen wollt, dann müsst ihr wohl eure #followerpower einsetzen und @Westbahn1 auf Twitter beknien, ihn ab und zu direkt zu Wort kommen lassen 🙂

Dr. Benedikt Weibel – ehemaliger Chef der SBB und Aufsichtsratmitglied der Westbahn
Stuttgart 21 Dr.Weibel

Österreich will ich nicht beurteilen.
Stuttgart 21 ist ein monumentaler Unsinn, es ist schweineteuer und in kein Konzept eingebunden.
Wir haben in der Schweiz mit Bahn 2000 rund 35 Bauprojekte und eine Neubaustrecke gemacht und seither ist der Verkehr über die Jahre um 5% pro Jahr gewachsen und das ganze hat EUR 6 Milliarden gekostet und Stuttgart 21 kostet wesentlich mehr.

Niki Schmölz

Die verschiedenen Projekte sind prinzipiell differenziert zu betrachten. Meiner Meinung nach sind die Bahnbauprojekte größtenteils sehr wichtig für die Bahn aber auch für den gesamten Verkehr auf unserem Kontinent. Hochgeschwindigkeitsstrecken, Tunnel und neue, große Bahnhöfe bringen viele positive Aspekte mit: Kürzere Fahrzeiten, was für eine schnelle Mobilität sehr wichtig ist. Auch im Kampf gegen den Flieger oder das Auto kann sich der deutlich umweltfreundlichere Verkehrsträger Schiene durchsetzen. Der Güterverkehr profitiert ebenfalls von Fahrzeitverkürzungen und Umfahrungen bzw. Untertunnelungen von Steigungen, wo man normalerweise zusätzliche Loks braucht oder Beschränkungen in Gewicht und/oder Zuglänge hat.
Durch höhere Geschwindigkeiten, kürzere Reisezeiten und mehrgleisigen Ausbau schafft man auch deutlich höherer Kapazitäten für den Personen- und Güterverkehr. Gerade vor dem Hintergrund von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und für eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene ist dies sehr wichtig. Durch moderne Infrastruktur hebt man natürlich auch die Verkehrssicherheit.
Generell kann man sagen, dass diese Projekte auch zu einer besseren Vernetzung in Europa beitragen. Der Trend geht im innereuropäischen Verkehr wieder zur Bahn und dies gehört auch unterstützt und weiter attraktiviert – für unsere Zukunft, unsere Umwelt, unser Klima und eine effiziente Mobilität.

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